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BND-Pflaster für die Revolution

Der Geheimdienst verteilt Geschenke an die Freie Syrische Armee und im Mittelmeer sammelt sich viel graues NATO-Blech

Von René Heilig *

Wie immer es nach den US-Präsidentschaftswahlen in Syrien weitergeht – gewinnen können nur Extremisten. Das weiß auch der BND, das weiß die NATO. Man ist – in spezieller Art – um Vorsorge bemüht.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist – was Syrien betrifft – gut orientiert, weil traditionell im Anti-Terror-Kampf mit Assads Geheimdiensten verbunden. Mitte August begann man jedoch ernsthaft, die Tage des syrischen Diktators Baschar al-Assad zu zählen. Die Gründe dazu sind nach Aussagen von Mitarbeitern solide, denn auf beiden Seiten der Front recherchiert.

Man hat zumindest ein Flottendienstboot der Deutschen Marine vor der Küste und ein NATO-AWACS-Flugzeug in der Luft. Dazu kommen Erkenntnisse von Partnerdiensten. Die türkischen gewinnen Informationen vor allem aus der Befragung von Flüchtlingen und Überläufern, die israelischen hören von den besetzten Golanhöhen weit ins Land hinein, Jordanien teilt Erkenntnisse mit den Deutschen. Ganz im Gegensatz zu Iran und Irak. Deren Geheimdienste setzen weiter auf Assad, die Chefs treffen sich, man stimmt Hilfen ab, organisiert den Nachschub von Waffen und Gerät. Für das »befreite Syrien« kommen Waffen vor allem aus Libyen, bezahlt von Saudi-Arabien.

Wer sich mit dem Teufel an den Tisch setzt, muss einen langen Löffel haben. Die USA und Großbritannien stellen Assads Gegnern »nicht-tödliches« Equipment zur Verfügung. Kommunikationstechnik vor allem. Der BND spendet Sanitätsmaterial. So ist es gelungen, zu gemäßigten Kreisen der sogenannten Freien Syrische Armee Kontakt aufzunehmen. Knapp 200 Medipacks hat man geliefert, im Gegenzug hätten »Gruppen des syrischen Widerstands« Informationen an den BND übermittelt, so Bundesregierung. Doch es geht weniger um diese Informationen. Es geht um Kontakte strategischer Art. Man will gerüstet sein gegen die Gefahr, die sich nach dem Sturz von Assad ergibt. Ob dagegen »Pflaster« helfen?

Schon vor einiger Zeit will der BND – und nicht nur der – eine Absetzbewegung von Al Qaida ausgemacht haben. Das Terrornetzwerk verstärkte seine Basen in Somalia und in Jemen. In Libyen und Ägypten hat man nach dem Sturz der Regimes von Gaddafi und Mubarak Fuß gefasst. »Wir haben in diesen Ländern eine hohe Arbeitslosigkeit, bisweilen ist die Grundversorgung der Bevölkerung nicht gesichert, und es gibt wenig ausgeprägte rechtsstaatliche Sicherheitsstrukturen«, merkte BND-Chef Gerhard Schindler zu Jahresbeginn an.

Nun ist Syrien Al-Qaida-Operationsgebiet. Und Sprungbrett. Dabei sein ist viel, doch nicht alles – wie die westlichen Mächte in Libyen erleben mussten. Noch haben die USA keine Entscheidung getroffen und noch ist der NATO keine andere Strategie als die der Machtdemonstration mit viel grauem Kriegsblech eingefallen. Im Mittelmeer gab und gibt es in diesem Monat gleich mehrere größere Übungen westlicher Marinekräfte. Auch wenn sie seit Monaten geplant sind, so ist doch die Stoßrichtung Syrien unverkennbar. Gerade beendet ist »Noble Mariner 12«. Den Kern der Teilnehmer stellten die ständigen NATO-Einsatzverbände SNMG-2 und SNMCMG-2. Insgesamt waren 26 Schiffe, Boote und U-Boote sowie Seeluft- und Luftstreitkräfte aus zehn Nationen beteiligt.

Am 11. Oktober endete die italienisch-französische Übung »Levante 2012«. Als Übungsinhalte wurden gemeinsame offensive Luftoperationen gegen See- und Landziele, Flugabwehr und Luftraumverteidigung genannt. Zur Zeit findet das »Cougar-12«-Manöver statt. Der in hohem Bereitschaftszustand gehaltene Flottenverband soll kurzfristig und global bei krisenhaften Entwicklungen oder humanitären Notlagen einsetzbar sein, heißt es. Parallel gibt es die Übung »Corsican Lion« mit dem französischen Flugzeugträger »Charles de Gaulle«, dem Hubschrauberträger »Mistral« – samt eingeschiffter Marinebrigade. Schwerpunkt sind amphibische Operationen. Und auch die türkische Marine richtet ein Manöver mit Landungsschiffen aus – vor der Küste Ägyptens.

Wo sich die Schiffe der Deutschen Marine »rumtreiben«, sagt das Verteidigungsministerium nicht. Allenfalls bestätigt man, dass die Korvette »Magdeburg« zum UNIFIL-Einsatz vor Libanon eingetroffen ist. Über den Auftrag der Fregatten »Mecklenburg-Vorpommern« und »Hessen«, die am Donnerstag im westlichen Mittelmeer erwartet werden, verlautet nichts. Man kann mutmaßen. Als der Krieg gegen Libyen los ging, waren die »Rheinland-Pfalz« und die »Brandenburg« vor Ort.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 17. Oktober 2012


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