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Seltsames Angebot aus Wien

Österreichs Verteidigungsminister bietet den USA Soldaten für Syrien an

Von Hannes Hofbauer, Wien *

Österreichs neuer Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) hat den US-Amerikanern in einem Brief an seinen Kollegen Chuck Hagel 20 Spezialisten einer ABC-Abwehrtruppe angeboten. Seine Regierungskollegen reagierten verstört, so viel politisches Ungeschick war selten.

Chuck Hagel hat den Brief wahrscheinlich nicht gelesen, jedenfalls nicht kommentiert. So weit kann es kommen, wenn ein diplomatisch ungeübter und militärisch ahnungsloser Sozialdemokrat auf dem Posten des Verteidigungsministers auf den Giftgaseinsatz im fernen Syrien reagiert. Gerald Klug ist erst seit wenigen Monaten im Amt, sein skinheadähnlicher Haarschnitt verleiht ihm eine gewisse Schnittigkeit. Dass er ohne Familie in einem Wiener Hotel lebt, war unlängst eine seiner wichtigsten Aussagen in einem Zeitungsinterview. Politisch fiel er zuletzt auf, als er die österreichischen Blauhelme auf den Golan-Höhen ohne Absprache mit der UNO von ihrer jahrzehntelangen Mission zurückholte. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gab sich darüber schwer verärgert. Und die internationale Reputation des neutralen Österreich, seine Soldaten für Friedenseinsätze zur Verfügung zu stellen, war beschädigt.

Ob Klug mit seinem Schreiben an den US-Verteidigungsminister den Rückzug vom Golan kompensieren wollte, ist schwer einzuschätzen, für Interviews ist der Minister derzeit nicht erreichbar. Immerhin dürfte ihm als Regierungsmitglied der Unterschied zwischen USA und UNO nicht entgangen sein. Sich in einem Moment, da die USA verzweifelt Mittäter für einen völkerrechtswidrigen Angriff suchen, beim Pentagon anzubiedern, übersteigt eigentlich die Vorstellungskraft des gelernten Österreichers, der Neutralität zu einer der Grundfesten der Landesidentität zählt. Entsprechend eindeutig waren die Reaktionen auf das militärische Angebot. Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) wies darauf hin, dass der Einsatz österreichischer Soldaten im Ausland grundsätzlich eines Regierungs- und Parlamentsbeschlusses bedarf. Auch werden solche Angebote, Spezialisten zu entsenden, »normalerweise an die UNO ... und nicht an einen anderen Staat gemacht«, sagte der Außenminister der Tageszeitung »Kurier«. Auch sämtliche Oppositionsparteien lehnen den Vorstoß des Verteidigungsministers ab. Die Medien wiederum machen sich über die Einschränkungen lustig, die Klug in seinem Schreiben gleich mitgeschickt hat. Er will nämlich mit der Bereitstellung der ABC-Spezialisten warten, bis die Sicherheitsfrage in Syrien gelöst ist. Und ein UNO-Mandat für die militärische Mission hätte er gerne.

Als kritischer Beobachter schwankt man: Entweder war der Mann zu lange ohne Internetzugang auf einer fernen Insel im Urlaub. Oder aber er spielt gezielt die atlantische Karte, die auch in Teilen der SPÖ Tradition hat. Nur peinlich, dass ihn der konservative Koalitionspartner an die Wirklichkeit erinnern muss.

* Aus: neues deutschland, Montag, 9. September 2013


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