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Die Türkei, Deutschland und der Krieg gegen Assad

Eine sehenswerte Filmdokumentation im deutschen Fernsehen

Von Karin Leukefeld *

„Damaskus im Morgengrauen und die Bundeswehr im Nebel“. So beginnt eine bemerkenswerte Dokumentation über den Krieg in Syrien mit dem Titel: „Die Syrien-Falle – Deutschland und der Krieg gegen Assad“.

Der renommierte Dokumentarfilmer Hubert Seipel hat für die deutsche ARD untersucht, warum die Bundeswehr mit einer Raketen-Staffel in die Türkei entsendet wurde und welches Signal diese Stationierung im Zusammenhang mit dem Krieg in Syrien aussendet. Die Dokumentation, die am 13. Februar zu nachtschlafender Zeit um 23.15 Uhr ausgestrahlt wurde, begleitet die deutschen Soldaten und ihre Raketen in die Türkei und erforscht gleichzeitig den Hintergrund des syrischen Konflikts, in den die NATO-Mission und damit auch Deutschland hineingezogen werden könnte. Neben der Bundeswehr sind die Protagonisten US-Außenministerin Hillary Clinton, der russische Außenminister Sergeij Lawrow, der erste UNO-Sondervermittler für Syrien, Kofi Annan und Bashar al-Assad, der syrische Präsident. Alle sprechen sehr offen über ihre Einschätzung und sagen, was die deutsche Öffentlichkeit nur selten zu hören bekommt.

Außer Clinton, die nur indirekt zu Wort kommt und mit ihrer Feststellung: „Präsident Obama hat Assad aufgefordert, zurückzutreten“, gleich zu Anfang den Ton angibt, ist es Seipel gelungen, alle genannten Personen persönlich zu interviewen. Unklar ist, von wann die Aufnahmen stammen, allgemein heißt es sie seien „Ende 2012“ entstanden. In jedem Fall muss es nach dem spektakulären Rücktritt von Kofi Annan (August 2012) gewesen sein, denn dieser spricht offen über seine Eindrücke, über die Gespräche mit Assad, die gefährliche Lage und die Beweggründe seines Rücktritts. Nicht die Aussichtslosigkeit von Gesprächen war Grund für den Rücktritt Annans, wie viele Medien es immer wieder berichtet haben. Es war die offene Brüskierung durch die USA, Großbritannien und Frankreich, die dem früheren UNO-Generalsekretär Annan unmittelbar nach der Vereinbarung des Genfer Abkommens (30.6.2012) offen in den Rücken gefallen waren. Annan spricht zudem offen über den Medienkrieg, der noch nie einen Konflikt so beeinflusst habe, wie in Syrien.

Um das Genfer Abkommen, das auch von dem Annan-Nachfolger Lakhdar Brahimi weiterhin als die beste Möglichkeit gilt, den Krieg in Syrien zu beenden und eine politische Übergangslösung einzuleiten, wird die Dokumentation aufgebaut. Lawrow, Assad und Annan stellen aus ihrer jeweiligen Sicht gemeinsame Treffen und Gespräche dar, die sich um das Genfer Abkommen drehen. Annan und Lawrow meinen, Assad nehme bestimmte Entwicklungen in seinem Land nicht wahr und ignoriere die soziale, syrische Komponente des Konflikts. Beide sind sich einig, dass die Forderung nach einem Abtritt von Assad, quasi als Vorbedingung einer Verhandlungslösung, nicht dienlich ist. Der syrische Präsident selbst sagt auf eine entsprechende Frage: „„Was mich als Präsidenten angeht, sollte die Entscheidung beim syrischen Volk liegen. (….) Das muss durch einen nationalen Dialog geschehen. Und was immer dieser nationale Dialog beschließt, das werden wir als Regierung beschließen. Auch was mich angeht.“

Das Genfer Abkommen und die Stationierung der Patriot-Raketen im türkisch-syrischen Grenzgebiet weisen in diametral entgegen gesetzte Richtungen. Das Genfer Abkommen könnte dem kriegszerstörten Land das Ende des Krieges, Verhandlungen und eine Übergangsregierung bringen. Die Raketenstationierung könnte unweigerlich zu einem Krieg führen, der weit über die Grenzen Syriens hinaus einen Flächenbrand auslösen würde. Am Ende zitiert der Autor den Senator und ehemaligen US- Präsidentschaftskandidat John McCain mit den Worten: Weil die Raketen doch schon mal da sind, könne man doch jetzt auch einmarschieren und eine Flugverbotszone einrichten.

Die Dokumentation präsentiert ohne Emotionen und Häme umfangreiches Material über Syrien, das der Autor Archiven entnommen oder selber gefilmt hat. Seipel wertet nicht, er stellt Fragen oder greift Aussagen seiner Gesprächspartner auf und berichtet. In den heutigen Medien ist diese Art professioneller Berichterstattung selten geworden. (Karin Leukefeld)

Der Film wird im Sender Phoenix am 20. März (21.00 Uhr) und am 21. März (19.15) wiederholt. In der Mediathek der ARD ist ein Video des Films abrufbar:
www.ardmediathek.de [externer Link]

* Dieser Beitrag erscheint im Luxemburger Volksblatt (Letzebuerger Vollek). Vielen Dank der Autorin für die Überlassung des Manuskripts.


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