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Bombe nahe Beobachtern

Syrien: UN-Vertreter blieben unverletzt *

Deserteure haben am Mittwoch in Syrien in unmittelbarer Nähe eines Fahrzeugs der UN-Militärbeobachter einen Sprengsatz gezündet.

Die Bombe, die einem Fahrzeug der Regierungstruppen galt, verletzte nach Angaben syrischer Medien sechs Soldaten. Die Militärbeobachter blieben bei der Attacke in der Provinz Daraa unverletzt, teilte in Genf der Sprecher des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan mit.

Unter ihnen war auch der Leiter der Beobachtermission der Vereinten Nationen, der norwegische Generalmajor Robert Mood. Er sagte nach Angaben des Sprechers, Neraj Singh, der ihn begleitete: »Es ist absolut notwendig, dass jede Form von Gewalt aufhört, und dies war ein schlimmes Beispiel für die Gewalt, die das syrische Volk zu erleiden hat.«

In einer Mitteilung des oppositionellen Sham News Network hieß es, aus einem Geländewagen der Armee sei zuerst das Feuer auf Gebäude in dem Viertel Al-Manschija eröffnet worden. Daraufhin hätten Deserteure der »Freien Syrischen Armee« den Jeep gesprengt. Die UN-Beobachter seien nicht Ziel des Angriffs gewesen.

In den Provinzen Damaskus-Land, Idlib, Homs und Hama wurden am Mittwoch nach Angaben von Oppositionellen sechs Menschen getötet. Gefechte zwischen Regierungstruppen und Deserteuren meldeten die Regierungsgegner aus Aleppo und Idlib.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Mai 2012


Syrien: Sprengsatz gegen UN-Beobachter

Attentat auf Konvoi in Daraa. Aufständische fordern Militärintervention **

In Syrien ist am Mittwoch bei der Ankunft eines Konvois der UN-Beobachtermission in der südlichen Stadt Daraa ein Sprengsatz explodiert. Sechs Soldaten seien verletzt worden, als die Bombe hinter den Fahrzeugen mit dem UN-Missionsleiter Robert Mood hochging, berichtete ein AFP-Fotograf. Demnach detonierte sie, als die vier Autos mit Mood und elf weiteren Beobachtern in die Stadt einfuhren. Getroffen wurden die Begleitfahrzeuge der syrischen Armee.

Moods Sprecher Neeraj Singh sagte, der Anschlag sei ein »konkretes Beispiel« für die Gewalt in Syrien, die »in allen ihren Formen« beendet werden müsse. Die derzeit 70 UN-Beobachter im Land, deren Zahl bis Freitag auf 100 steigen soll, überwachen den seit dem 12. April geltenden Waffenstillstand.

Die in London ansässige »Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte« berichtete von weiteren Anschlägen. So seien in Daraa bei der Explosion einer Bombe in einem Militärfahrzeug mehrere Menschen gestorben. In Aleppo im Norden seien demnach zwei Mitglieder einer regimetreuen Miliz ums Leben gekommen. Ferner seien nahe der Stadt Dschisr Al-Schugur in der nordwestlichen Provinz Idlib ein Zivilist getötet und drei weitere verletzt worden. In dem Dorf Maarata sei ein Soldat getötet worden. Der Chef der »Freien Syrischen Armee«. Mustafa Ahmed Al-Scheich, forderte derweil eine ausländische Militärintervention in Syrien. »Wir wollen gezielte Angriffe auf die Sicherheits- und Militärstrukturen, wie es sie in Libyen gab«, sagte der Anführer der bewaffneten Untergrundtruppe.

Gegen eine solche Militärintervention und gegen die Unterstützung der Aufständischen aus dem Ausland richtet sich eine Demonstration am kommenden Sonnabend um 14 Uhr vor der russischen Botschaft in Berlin, zu der über die Facebook-Seite »Für ein modernes Syrien unter Bashar Al-Assad« mobilisiert wird. (AFP/jW)

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 10. Mai 2012


Wahl ohne Wert

Von Roland Etzel **

Die Ergebnisse der syrischen Parlamentswahlen, wird aus Damaskus gemeldet, verzögern sich. Der Fakt ist einigermaßen belanglos, denn eigentlich wartet niemand auf sie, wer immer auch für gewählt erklärt wird. Die Wahlen kommen zu spät, etwa zehn Jahre. Hätte Assad jun. damals, nachdem er die Macht geerbt hatte, Wahlen erlaubt, ohne die führende Rolle seiner Baath-Partei festzuschreiben, sie hätten seinen Führungsanspruch womöglich auf nachhaltigere Weise zementiert als dies viele Jahre mit militärischer Stärke und winkeladvokatischer Balance-Politik nicht ohne Erfolg versucht wurde.

Seine syrischen Gegner inner- und außerhalb des Landes haben völlig recht, wenn sie sagen, dass Wahlen unter kriegsähnlichen Bedingungen eine Farce und ihre Ergebnisse wertlos sind, auch weil der Boykottaufruf der Feinde Assads wohl vor allem in den Städten stark befolgt wurde. Der offene Bürgerkrieg ist damit wieder etwas näher gerückt.

Die Fundamentalopposition, angefeuert von Washington über Ankara bis Riad, erklärt sich offen wie nie gegen jede Verständigung und gerät damit auch immer stärker in Konflikt mit den moderaten, für friedlichen Wandel zu mehr Demokratie eintretenden Kräften in Syrien. Nachdem sie die libysche Variante des Regime-Sturzes, also eine Hilfsintervention der NATO, abschreiben müssen, verlangsamt sich der Vormarsch der Hardliner. Sie wollen eine militärische Lösung, und dabei stören die UN-Beobachter. Das bekamen sie gestern deutlich wie noch nie zu spüren.

*** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Mai 2012 (Kommentar)


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