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Assad: Westen lässt Annan-Plan scheitern

Präsident sieht Ziel seiner Gegner in der Verurteilung Syriens durch den Sicherheitsrat *

Syriens Präsident Baschar al-Assad hat westlichen Staaten und einigen arabischen Ländern eine heimliche Unterstützung der bewaffneten Regierungsgegner vorgeworfen.

Zwar gebe es »keine materiellen Beweise«, da »ihre Unterstützung meist versteckt und indirekt« sei, die »Beziehungen« zur bewaffneten Opposition in Syrien seien aber eindeutig, sagte Assad in einem Interview mit dem iranischen Staatsfernsehen.

Die ausländische Unterstützung sei beispielsweise in politischen Positionen zu erkennen, einige Länder hätten zudem »ihre Unterstützung für den bewaffneten Kampf« kundgetan, sagte Assad. Darüber hinaus unterstütze er selbst weiterhin den Friedensplan des Syrien-Gesandten Kofi Annan. Der Westen dagegen wolle den Plan scheitern sehen, um Syrien vom UNO-Sicherheitsrat verurteilen lassen zu können. »Unsere Aufgabe ist es, Zivilisten zu verteidigen«, betonte Assad.

Unterdessen sollen russische UN-Vertreter nach Darstellung von Diplomaten verlangt haben, den Vorschlag von Annan zur Bildung einer Übergangsregierung in Damaskus einzuschränken. Russland wolle nur Formulierungen zustimmen, die auf keinen Fall als Aufforderung an Präsident Baschar al-Assad ausgelegt werden könnten, die Macht abzugeben, hieß es am Freitag. An diesem Sonnabend ist ein Treffen der Außenminister mehrerer einflussreicher Staaten und der Arabischen Liga in Genf geplant.

Annan hat in seinem Entwurf für das Genfer Treffen vorgeschlagen, in Syrien eine Übergangsregierung aus »Mitgliedern der gegenwärtigen Regierung und der Opposition sowie anderer Gruppen« zu bilden. Ausgeschlossen werden sollten jedoch laut Annan-Papier alle Kräfte, »deren Teilnahme die Glaubwürdigkeit des Übergangs unterminieren sowie die Stabilität und Versöhnung gefährden würden«. Moskau sieht dies als Versuch, Assad von vornherein auszuschließen und verlangt eine Abänderung.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte bereits vor einem Treffen mit seiner US-amerikanischen Amtskollegin Hillary Clinton am Freitag erneut deutlich gemacht, dass Moskau Forderungen nach einem Rücktritt Assads nicht unterstützen werde.

Unterdessen sollen Regierungstruppen in der Nähe von Damaskus ein weiteres Massaker begangen haben. Über 50 Menschen seien in den frühen Morgenstunden des Freitags in der Vorstadt Duma von den Soldaten getötet worden, berichteten syrische Oppositionsvertreter. Sie stellten auch Bilder ins Internet, die in weiße und blutbefleckte Tücher gehüllte Leichen zeigen. Die Informationen ließen sich sich allerdings wie in den meisten solcher Fälle von unabhängiger Seite nicht bestätigen.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 30. Juni 2012


Am seidenen Faden

Syrien-Konferenz in Genf soll Konfliktlösung finden. Damaskus gar nicht erst eingeladen. Aufständische verschärfen Angriffe

Von Karin Leukefeld **


Noch am Freitag war unklar, ob die für dieses Wochenende in Genf geplante Konferenz einer »Syrien-Aktionsgruppe«, die eine Lösung für den blutigen Konflikt in Syrien finden soll, überhaupt zustande kommen würde. Eingeladen sind neben den Außenministern der USA und Rußlands auch deren Amtskollegen aus Großbritannien, Frankreich und China, den Vetomächten im UN-Sicherheitsrat. Auch Vertreter der EU und der Türkei wurden dazugebeten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat ebenfalls sein Erscheinen angekündigt. Ursprünglich sollten auch Iran und Saudi-Arabien teilnehmen. Teheran wird wesentlicher Einfluß auf die Regierung von Präsident Baschar Al-Assad nachgesagt, Saudi-Arabien gilt als Finanzier der bewaffneten Aufständischen. Nun werden jedoch Diplomaten aus Katar und Kuwait als Vertreter der »Kontaktgruppe Syrien« bei der Arabischen Liga zu dem Treffen in Genf kommen. Die Teilnahme des Iran wurde von den USA und Frankreich erfolgreich verhindert. Syrien ist ohnehin nicht eingeladen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle wird bei den Gesprächen nicht dabeisein. Das teilte das Auswärtige Amt am Freitag mit. Deutschland werde alles in seiner Macht Stehende tun, »um die Suche nach einer politischen Lösung zu unterstützen«. Diese hänge aber »angesichts der eskalierenden Gewalt am seidenen Faden«. Die Vetomächte des Sicherheitsrats stünden »in einer besonderen Verantwortung für eine Beilegung des Konflikts«, ließ Westerwelle ausrichten.

US-Außenministerin Hillary Clinton traf am späten Freitag nachmittag in St. Petersburg mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zusammen, um die Konferenz in Genf »vorzubereiten«. Clinton will sicherstellen, daß Assad in einer möglichen Übergangsregierung keinen Platz hat. Lawrow hingegen betonte, daß die Bildung eines solchen Kabinetts allein innersyrische Angelegenheit sei und nicht von außen bestimmt werden könne. »Ausländische Akteure dürfen den Syrern nicht ihre Lösungen diktieren«, so der Minister.

In dem von Kofi Annan vorgelegten Plan für ein Übergangskabinett aus Abgesandten der Exekutive und der Opposition wird der amtierende syrische Präsident nicht erwähnt. Es heißt lediglich, daß »Vertreter der Regierung, deren Anwesenheit und Teilnahme die Glaubwürdigkeit des Übergangs unterlaufen und die Stabilität und Versöhnung gefährden«, ausgeschlossen bleiben sollten. Auch auf Repräsentanten der Opposition könnte das zutreffen. Nach westlicher Sichtweise bezieht sich diese Passage jedoch offenbar auf Assad. Der neue Vorsitzende des Syrischen Nationalrates (SNR), Abdel Basit Sayda, erklärte nach einem Gespräch mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius, solange nicht ausdrücklich der Rücktritt von Assad gefordert werde, werde man keinen Übergangsplan unterstützen.

Vertreter verschiedener Oppositionsgruppen hatten am vergangenen Wochenende vergeblich versucht, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. An dem von der EU finanzierten Treffen in Brüssel nahmen unter anderem der SNR, das Nationale Koordina­tionsbüro für demokratischen Wandel (NBC) und das Syrische Demokratische Forum teil. Einigkeit herrschte darüber, dem Land Chaos ersparen zu wollen. Nicht einigen konnte man sich hingegen in der Frage eines militärischen Eingreifens des Auslands. NBC-Vertreter Mikail Morhaf begründete einer Meldung der Nachrichtenagentur AP zufolge seine ablehnende Haltung mit den Worten, »militärische Intervention stürzt ein Land immer ins Chaos. Die einzig mögliche Lösung ist eine politische.«

Bewaffnete Gruppen verschärften derweil ihre Angriffe in Syrien. Im Zentrum von Damaskus explodierte am Donnerstag nachmittag auf einem Parkplatz in der Nähe des Gerichtsgebäudes ein Sprengsatz. Drei Personen wurden verletzt, 20 Fahrzeuge zerstört. Am Mittwoch hatten zudem Bewaffnete den privaten Fernsehsender Al-Ikhbariya überfallen. Dabei töteten sie drei Journalisten und vier Techniker.

** Aus: junge Welt, Samstag, 30. Juni 2012


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