Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kein Nachschub über Sbeineh

Syrische Regierungstruppen nehmen Ortschaft südlich der Hauptstadt ein

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Die USA haben ihren Druck auf die syrische Nationale Koalition weiter erhöht, um das Bündnis zu bewegen, an den in der Schweiz geplanten Gesprächen über eine politische Lösung des Konflikts, genannt Genf II, teilzunehmen. Der US-Beauftragte für die Nationale Koalition, der frühere Botschafter in Syrien, Robert Ford, war eigens nach Istanbul gefahren, wo die Gruppe am vergangenen Samstag zusammenkam. Bei einem Treffen mit dem Präsidenten der Koalition, Ahmed Dscharba, versuchte Ford, diesen zum Einlenken zu bewegen. Doch hinter Dscharba und der Koalition steht Saudi-Arabien, das aus seinem Ärger über die US-Politik sowohl gegenüber Syrien als auch dem Iran kein Geheimnis macht. Riad hatte ein militärisches Eingreifen der USA in Syrien befürwortet. Die 108 Mitglieder der Nationalen Koalition haben selbst wenig Einfluß auf die militärischen Geschehnisse in Syrien.

Das russische Außenministerium hat derweil Vertreter aller oppositionellen Kräfte eingeladen, sich in Moskau mit Abgesandten der syrischen Regierung zu treffen. Man wolle einen Schritt in Richtung Genf II machen, erklärte der russische Vizeaußenminister Gennadi Gatilow am Freitag. »Informelle Kontakte zwischen den rivalisierenden Seiten« könnten klären, »ob sie im Prinzip zu einem Dialog bereit wären«. Sowohl die USA als auch die Vereinten Nationen unterstützen ein solches Treffen.

Sondereinsatzkräfte der regulären syrischen Armee haben nach neuntägigen schweren Kämpfen im Süden von Damaskus eine für die bewaffneten Gruppen wichtige Nachschublinie abgeschnitten. Mit der Einnahme von Sbeineh, einem Ort südlich des palästinensischen Flüchtlingslagers Yarmuk, ist für die Aufständischen der Nachschub aus Daraa und Jordanien unterbrochen. Auch der angrenzende Ort Ghasaleh wurde von den syrischen Truppen eingenommen. Aus den ebenfalls im Süden von Damaskus gelegenen Orten Husseiniyeh, Ziabiyeh und Bweida hatten sich die bewaffneten Gruppen bereits früher unter dem militärischen Druck der syrischen Streitkräfte zurückgezogen. Auflösungserscheinungen innerhalb der »Freien Syrischen Armee« und der Kampf von bewaffneten Gruppen untereinander haben diese in den letzten zwei Monaten deutlich geschwächt.

Sbeineh gilt als strategisch wichtiger Knotenpunkt für den Transport von Geld, Waffen, Kämpfern und Nahrungsmitteln für die Aufständischen, die sich seit mehr als einem Jahr südlich und östlich der syrischen Hauptstadt verschanzt halten. Die dort lebende Zivilbevölkerung war über Monate hin von einem Ort zum anderen geflohen, um den Kämpfen zu entkommen. Viele mittellose Familien, die keine Transportmöglichkeit oder finanzielle Rücklagen haben, mußten oder wollten bleiben und haben sich mit den Aufständischen arrangiert. Wie die bewaffneten Gruppen waren sie damit auch Operationen der syrischen Armee und einer von dieser verhängten Blockade ausgesetzt. Konnte die Zivilbevölkerung zunächst ihre Orte noch verlassen, um Lebensmittel einzukaufen, hat die Armee in den letzten Monaten die Zugänge hermetisch abgeriegelt, um die Versorgung der Aufständischen durch die Zivilbevölkerung zu verhindern. Hilfslieferungen von internationalen humanitären Organisationen oder dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond (SARC) werden unter Verweis auf die mangelnde Sicherheit ebenfalls zurückgewiesen.

Das den Aufständischen nahestehende Beobachtungsbüro für Menschenrechte in London teilte mit, die syrischen Streitkräfte seien in Sbeineh von Kämpfern der libanesischen Hisbollah und einer irakischen »Abul-Fadl-Al-Abbas-Brigade« unterstützt worden. Die offenbar von den Aufständischen verbreitete Darstellung wurde nicht belegt. Beobachter in Syrien halten einen Einsatz der Hisbollah in Sbeineh für unwahrscheinlich. Die libanesische Organisation hatte erklärt, bei der Vertreibung bewaffneter Gruppen aus Qusair nahe der libanesischen Grenze in der Provinz Homs Anfang des Jahres beteiligt gewesen zu sein. Auch in und um den Ort Saida Zeynab südöstlich von Damaskus sind Hisbollah-Einheiten stationiert. In dem Ort befindet sich das Grab von Saida Zeynab, Enkelin des Propheten Mohammed. Das Grab ist besonders für schiitische Muslime ein wichtiger Pilgerort.

* Aus: junge Welt, Montag, 11. November 2013

Karin Leukefeld

referiert auf dem Friedenspolitischen Ratschlag 2013 zum Thema:
Der Krieg gegen Syrien ist vertagt. Die Gefahr bleibt bestehen
Workshop B6 am Samstagnachmittag 7. Dezember 2013.
Zum ganzen Programm des Friedensratschlags.




Zurück zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage