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Pipeline für Juba

Deutschland hat die Abspaltung des Südsudan vom Norden mit betrieben – aus geostrategischen Gründen und zur Schwächung der arabischen Welt

Von Jörg Kronauer *

Der Konflikt im Südsudan eskaliert weiter. Hunderttausende sind vor den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen geflohen. Deutschland hat eine Mitverantwortung an der Katastrophe.

»Wir, die Bevölkerung des Südsudan« – mit diesen Worten beginnt die Übergangsverfassung, die in der südsudanesischen Hauptstadt Juba unmittelbar nach der Trennung vom Nordsudan am 9. Juli 2011 in Kraft gesetzt worden ist. Im Südsudan mangelt es an vielem, aber nicht an den papierenen Grundlagen staatlicher Ordnung. Schon bald nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Nord und Süd am 9. Januar 2005 hatte Juba eine eigene Regionalverfassung erhalten, erstellt mit der Unterstützung kompetenter Experten, die nach dem Abspaltungsreferendum am 9. Januar 2011 auch behilflich waren, die Regional- in eine Staatsverfassung umzuarbeiten. Die Experten hatten Nord- und Südsudan schon seit 2002 in konstitutionellen Fragen beraten, waren im Land bestens eingeführt und daher in der Lage, den bruchlosen Übergang Südsudans in die Eigenstaatlichkeit verfassungsrechtlich zu garantieren. Ihr eigentlicher Arbeitsplatz befand sich im Neuenheimer Feld 535 in Heidelberg, am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.

Die deutsche Außenpolitik und ihre Vorfeldorganisationen haben nicht unerheblich zur Abspaltung des Südsudan vom Norden beigetragen. Die Hilfe der Bundesrepublik für den Südsudan begann nach einem Kurswechsel in den 1990er Jahren. Bis 1993 hatte Bonn mit Khartum kooperiert, nicht nur, wie der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom schreibt, bei der Spionage, sondern auch als Khartums »wichtigster Rüstungslieferant«. Ab 1990 begannen die USA, sich gegen widerspenstige Kräfte in der arabischen Welt zu wenden – und in diesem Zusammenhang kam es, auch für Bonn, nach 1993 zur Konfrontation mit dem arabisch orientierten Khartum. Die Bundesregierung entdeckte bald ihre Sympathie für den schwarzafrikanisch geprägten Südsudan, der seit Jahrzehnten Krieg gegen den Norden führte. Auf seinem Territorium liegen rund drei Viertel der gesamtsudanesischen Erdölvorräte; klar war also, daß Khartum bei einer Abspaltung des Südens nicht nur ein riesiges Gebiet, sondern auch beträchtliche Einkünfte verlieren würde. Seit Ende der 1990er Jahre bauten nun deutsche Organisationen ihre Beziehungen zu den Separatisten aus.

Beispiele? Die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) etwa startete 1999 erste Bemühungen um »Aufbau und Stärkung der Zivilgesellschaft im Südsudan«. Im Herbst 2002 lud sie südsudanesische Politiker nach Berlin und vermittelte ihnen hilfreiche Kontakte ins Entwicklungsministerium und ins Auswärtige Amt. Das war genau zu dem Zeitpunkt, als das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht erstmals Vertreter von Nord- und Südsudan zu Gesprächen nach Heidelberg bat. 2004 wurde die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ, damals noch GTZ) im Südsudan aktiv und baute Straßen. Wohin? In Richtung Süden, nach Uganda und Kenia. Straßen in Richtung Norden hätten die sudanesische Einheit gestärkt; Straßen nach Süden hingegen begünstigten den Anschluß des Südsudan an die englischsprachigen Staaten Ostafrikas, die recht eng mit dem Westen kooperieren.

Inzwischen zahlt der Straßenbau sich aus: Das Südsudan-Geschäft boomt in Kenia und in Uganda, die ökonomische Anbindung an den Staatenbund East African Community (EAC) ist in vollem Gange. Es bleibt das leidige Problem mit dem Öl. Die Pipelines aus gesamtsudanesischer Zeit verlaufen noch durch den Nordsudan, der das Öl also weiterhin mitkontrolliert und über Durchleitungsgebühren auch finanziell profitiert. Alternativen entwickelte seit dem Jahr 2003 ein deutscher Mittelständler: Der Gleisbauer »Thormählen Schweißtechnik« konzipierte eine Eisenbahnverbindung von Juba in die kenianische Hafenstadt Mombasa, um den Abtransport des Öls mit Tankzügen, später auch per Pipeline zu ermöglichen. »Das ist die Lebensader unserer Unabhängigkeit«, jubelte damals ein Vertreter der Separatisten. Thormählen überhob sich zwar mit dem Milliardenprojekt und scheiterte. Der Gedanke jedoch lebt fort. Die EAC plant mittlerweile ein weitgespanntes Schienennetz über all ihre Mitgliedstaaten, das auch Juba anbinden soll. Zudem will sie eine Pipeline aus dem Südsudan in die kenianische Hafenstadt Lamu bauen. Erste Aufträge für den Eisenbahnbau gingen allerdings – eine Niederlage für den Westen und besonders für Deutschland – an Unternehmen aus China.

Berlin hat seine Unterstützung für die Abspaltung des Südsudan nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages vom 9. Januar 2005 noch einmal deutlich intensiviert. 2006 wurden die Entwicklungshilfezahlungen wieder aufgenommen – nur für Juba, nicht für Khartum. 2007 startete die GIZ im Auftrag der Bundesregierung ein auf zehn Jahre angelegtes Projekt, das den »Staatsaufbau« im Südsudan zum Ziel hat, die Ausbildung von Verwaltungsbeamten inklusive. »Das Vorhaben verknüpft Politik-, Verwaltungs- und Organisationsentwicklungsberatung«, tönte die GIZ 2007 vollmundig, man arbeite »auf drei Ebenen: Landkreise, Bundesländer und Government of South Sudan (GoSS) gleichzeitig«. 2008 begann die GIZ dann im Auftrag des Auswärtigen Amts mit einem Projekt, das den Deutschen besonders gut liegt: mit der »Stärkung der Funktionsfähigkeit der Polizei«. Unter anderem wurden mehr als 80 südsudanesische Polizeiposten mit Funkausrüstung ausgestattet und das zuständige Personal trainiert.

Die Bundesrepublik hat den südsudanesischen Staat schon am 8. Juli 2011 anerkannt – einen Tag vor seiner Unabhängigkeitserklärung – und am 9. Juli 2011 eilig ihre Botschaft in Juba eröffnet. Das Entwicklungsministerium führte 2012 die üblichen Regierungsverhandlungen mit Südsudan durch; die Unterstützung für den Aufbau des Landes wird kontinuierlich fortgesetzt. Schließlich handelt es sich um ein Projekt, das aus geostrategischen Gründen gestartet worden ist und als wichtig gilt – zur Schwächung der arabischen Welt.

* Aus: junge welt, Freitag, 17. Januar 2014


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