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Kurze Erleichterung

Südsudan: Ernährungssituation verbessert. Friedensprozeß kommt nur langsam voran

Von Simon Loidl *

Eine akute Hungersnot in Südsudan ist vorerst abgewendet. Das meldete in der vergangenen Woche das südsudanesische Ministerium für Landwirtschaft und berief sich dabei auf Ergebnisse der jüngsten Untersuchungen entsprechend der »Integrated Food Security Phase Classification« (IPC). Dabei handelt es sich um einen von internationalen Organisationen entwickelten Standard zur Klassifizierung der Ernährungssituation in einem Land. Dieser Analyse zufolge würden im Dezember »nur 1,5 Millionen Menschen« von einer »Nahrungsmittelunsicherheit« betroffen sein, der Großteil davon in der Region Greater Upper Nile, heißt es in der Studie. Im Frühjahr sprachen Hilfsorganisationen noch von vier Millionen akut von Hunger bedrohten Menschen.

Auch wenn nach wie vor viele Menschen unter der schlechten Ernährungssituation leiden, so hat sich nach Einschätzung der Behörde die Lage während der vergangenen Monate entscheidend verbessert. Aufgrund der günstigen Witterungsbedingungen konnten in einigen Regionen überdurchschnittlich gute Ernten eingefahren werden. Für andere Teile des Südsudan gelte dies aber nicht, weshalb mit einer erneuten Verschlechterung der Situation für das ganze Land bereits für Anfang kommenden Jahres zu rechnen sei. Dennoch betont die Regierung, daß derzeit nicht von einer Hungersnot gesprochen werden könne und ersucht darum, den »unverantwortlichen« Gebrauch dieses Begriffs zu vermeiden.

Das World Food Programme der Vereinten Nationen (WFP) bestätigte in einer Presseerklärung die Ergebnisse der IPC-Analyse, die von unabhängigen Experten und Vertretern der südsudanesischen Regierung durchgeführt worden war. Für die kommenden drei Monate ist demnach in keinem Teil des Landes mit einer Hungersnot zu rechnen. Die Organisation betont, daß die vorübergehende Erleichterung auch auf den großangelegten Einsatz zahlreicher Hilfsorganisationen zurückzuführen ist. Diese müßten ihre Anstrengungen nicht nur weiterführen, sondern noch ausbauen, da bereits Anfang 2015 mit einer neuerlichen akuten Nahrungskrise zu rechnen sei. Das WFP selbst benötigt nach eigenen Angaben 345 Millionen US-Dollar um die Arbeit im Südsudan über die nächsten sechs Monate aufrechterhalten zu können.

Unterdessen ist noch keine Lösung für die Auseinandersetzungen in dem Land in Sicht. Nach Machtkämpfen innerhalb der südsudanesischen Regierung im vergangenen Jahr befindet sich der erst im Juli 2011 unabhängig gewordene Südsudan de facto im Bürgerkrieg. Offiziellen Angaben zufolge starben bei den Auseinandersetzungen seither mindestens 10000 Menschen, mehr als eine Million der zwischen acht und elf Millionen Einwohner ist auf der Flucht.

Während der vergangenen Monate fanden immer wieder Friedensgespräche zwischen den Konfliktparteien statt. Mitte September trafen Unterhändler und Vermittler zu neuerlichen Verhandlungen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zusammen. Es war bereits die dritte Runde, und die Onlinezeitung Sudan Tribune berichtete von »kleinen Fortschritten«. Mitte vergangener Woche drohten die Vereinigten Staaten, weitere Sanktionen gegen südsudanesische Politiker und Militärs zu verhängen, wenn die Gewalt nicht beendet wird.

China hat unterdessen angekündigt, weitere 700 Soldaten zur Unterstützung der UN-Mission im Südsudan zu entsenden. Das berichtete Radio China International am Freitag. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking betonte demnach, daß man mit der Entsendung auf ein entsprechendes Ansuchen der UNO reagiert habe. Die chinesischen Soldaten würden vor allem Schutzaufgaben erfüllen, aber nicht direkt in die Konflikte eingreifen. Derzeit sind bereits mehr als 10000 Blauhelme in Südsudan, davon etwa 350 aus China.

Peking spielt bei dem Versuch, die aktuellen Kämpfe im Südsudan zu beenden, entgegen sonstiger Gepflogenheiten eine relativ wichtige diplomatische Rolle. Regelmäßig nehmen chinesische Abgesandte an den Vermittlungsgesprächen in Addis Abeba teil. Das asiatische Land ist einer der wichtigsten internationalen Akteure in der Region und stark in der Ölförderung im Südsudan und Sudan engagiert.

* Aus: junge Welt, Montag 29. September 2014


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