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Kein Grund zum Feiern

Südsudan droht drei Jahre nach der Unabhängigkeit eine dramatische Hungersnot

Von Simon Loidl *

Pünktlich zum dritten Geburtstag des Südsudan am kommenden Mittwoch überschlagen sich die negativen Meldungen aus dem ostafrikanischen Land. Ende vergangener Woche warnte das britische Disasters Emergency Committee (DEC), daß es in den nächsten Wochen aufgrund der bürgerkriegsbedingt schlechten Versorgungslage zu einer Hungersnot kommen könnte. Der Dachverband britischer Hilfsorganisationen, dem unter anderem das Rote Kreuz und Oxfam angehören, teilte laut BBC mit, daß den Helfern vor Ort weniger als die Hälfte der benötigten Mittel zur Verfügung stehe. Nur wenn rasch weitere Unterstützung aufgebracht werde, könne noch verhindert werden, daß aus der sich verschärfenden Nahrungsmittelkrise eine »Katastrophe« werde. Ab August könnten bis zu vier Millionen Menschen in dem Land von einer Hungersnot bedroht sein, so DEC. Derzeit leben zwischen acht und elf Millionen Menschen im Südsudan.

Auch die Vereinten Nationen (UN) warnten vor einer Katastrophe. Nur ein Fünftel der benötigten Summen zur Unterstützung der Menschen im Südsudan sei bisher eingegangen. Bereits im April hatte die UN-Kinderhilfsorganisation UNICEF gemeldet, daß bis zu einer viertel Million Kindern akute Unterernährung droht. Grund für die schlechte Versorgungslage sind die bewaffneten Auseinandersetzungen im Südsudan. Seit Dezember 2013 befindet sich das Land de facto im Bürgerkrieg. Damals waren die Machtkämpfe unter den herrschenden Eliten des Landes eskaliert. Nach Schießereien innerhalb der Präsidentengarde hatten sich damals Auseinandersetzungen zwischen Anhängern von Riek Machar, langjähriger Konkurrent von Präsident Salva Kiir, und der südsudanesischen Armee binnen weniger Tage auf weite Teile des Landes ausgeweitet. Die genauen Umstände des Beginns des Konflikts sind nach wie vor unklar. Präsident Kiir sprach damals von einem Putschversuch durch Machar, der im Juli 2013 als Vizepräsident entlassen worden war. Letzterer wiederum behauptete, der Präsident habe den Vorfall im Dezember lediglich inszeniert, um einen Vorwand zur Ausschaltung seiner politischen Gegner zu bekommen.

Seitdem kam es mehrmals zu Waffenstillstandsvereinbarungen, die jedoch stets gebrochen wurden. Die Kämpfe gehen weiter, laut UN sind während der vergangenen Monate bereits 10000 Menschen getötet worden, etwa 1,5 Millionen befinden sich auf der Flucht. Die Situation in den Flüchtlingslagern im Südsudan und in den Nachbarländern ist menschenunwürdig. Es fehlt auch hier an Lebensmitteln und angemessener medizinischer Versorgung. Mittlerweile ist die gesamte Region von der Krise betroffen. Zehntausende flohen über die Grenze nach Äthiopien oder Kenia, Uganda wiederum wird vorgeworfen, sich an der Seite der südsudanesischen Armee in die Kämpfe eingemischt zu haben.

Südsudan ist der jüngste Staat der Welt. Am 9. Juli 2011 erlangte die zuvor autonome Region des Sudan nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs die Unabhängigkeit. Der zuvor flächenmäßig größte Staat des afrikanischen Kontinents wurde geteilt. Beobachter wiesen bereits damals auf die schlechte Infrastruktur hin und warnten vor einem Aufbrechen von Konflikten innerhalb der vormaligen Befreiungsbewegung und nunmehrigen Regierungspartei SPLM. Zu den internen Auseinandersetzungen kommen die immer noch ungelösten Konflikte mit dem Sudan. Nach wie vor gibt es unklare Grenzverläufe, und auch in der für die Ökonomien beider Länder zentralen Frage der Förderung und des Transports von Erdöl gibt es noch keine Einigung. Ein großer Teil der Ölfelder liegt im Südsudan; der Rohstoff muß aber über den Sudan zum Roten Meer transportiert werden. Gegenstand des Streits ist die Höhe der Summe, welche der Südsudan seinem nördlichen Nachbarn für den Transport je Barrel zahlen muß.

Auffallend ruhig angesichts der drohenden humanitären Katastrophe verhalten sich die westlichen Förderer der Abspaltung. Die Erlangung der Selbständigkeit des Südsudan wurde von vielen Regierungen des globalen Nordens begeistert begrüßt und als Schritt in Richtung Prosperität der Region gefeiert. Auch die Bundesrepublik hatte bereits Jahre vor der Unabhängigkeit die Sezession gefördert.

* Aus junge Welt, Montag, 7. Juli 2014


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