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Ölkrieg im Lande des Mahdi

An der Grenze zwischen Sudan und Südsudan geht es um ungeklärte Gebietsansprüche

Von Andreas Herrmann, Juba *

Keine Entspannung an der Grenze Sudan-Südsudan in Sicht. Am Dienstag ist laut Medienberichten ein MiG 29-Kampfflugzeug der sudanesischen Luftwaffe über den umstrittenen Ölfeldern nahe der Stadt Heglig (Sudan) abgeschossen worden.

Die südsudanesischen SPLA-Streitkräfte haben vergangene Woche mit rund 3000 Kämpfern sowie Panzern und Artillerieunterstützung die Stadt Heglig und dahinter liegendes Gebiet eingenommen, wo sich eines der größten Ölfelder der Region befindet. Sudan, zu dessen Territorium das eroberte Gebiet formal gehört, reagierte am Wochenende darauf mit Luftangriffen auf die Hauptstadt Bentiu der Provinz Unity State. Die Ölanlagen von Heglig produzieren 50 Prozent des gesamten Öls von Sudan und Südsudan zusammen. Damit ist der Konflikt zwischen den beiden Staaten in eine neue Dimension getreten, weil erstmals Truppen des Südens in die Offensive gegen den Norden gehen.

Durch die Eroberung der Ölfelder von Heglig sei auch die Treibstoffversorgung in Khartum gefährdet, heißt es in Wirtschaftskreisen. Darüber hinaus drohte Südsudans Präsident Salva Kiir weiteres militärisches Vorgehen an, um die kürzlich an Sudan verlorene Stadt Abyei zu erobern.

Nach dem Sieg der SPLA kam es am Freitag in der südsudanesischen Hauptstadt Juba zu spontanen Jubeldemonstrationen von zumeist jugendlichen SPLA-Anhängern. Am Hauptquartier der Streitkräfte bekundeten sie ihre spontane Bereitschaft, als Kämpfer in die Armee einzutreten. Wie Peter Kuol Chol Awan, Vorsitzender der regierenden Partei South Sudan Democratic Movement, in Juba gegenüber der Presse erklärte, warteten etwa 2000 Männer auf ihren Einsatz in den Reihen der SPLA.

Das erneute Aufflammen des Konfliktes um die Grenzziehung zwischen Sudan und Südsudan hat international besorgte Reaktionen ausgelöst. In Telefonaten forderte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Präsident Salva Kiir auf, die Truppen aus Heglig zurückzurufen. Auch die Afrikanische Union schloss sich dem in einer Sondersitzung ihres Rates für Frieden und Sicherheit in Addis Abeba an.

Salva Kiir erteilte diesen Forderungen jedoch eine entschiedene Absage. Er sei Staatsoberhaupt und nicht unter Kontrolle einer internationalen Organisation, erklärte er in Richtung UN-Generalsekretär. In den vergangenen Monaten habe die sudanesische Luftwaffe mehr als 60 Angriffe gegen sein Land geflogen. Wo da die internationale Gemeinschaft gewesen sei, fragte Kiir im südsudanesischen TV. Das nun weiter heftig umkämpfte Gebiet um Heglig, von der einheimischen Bevölkerung auch als Panthou bezeichnet, liegt in der Grenzprovinz Unity State. Die Grenzziehung zum sudanesischen Bundesstaat Süd-Kordofan ist umstritten.

Südsudan besteht auf Anerkennung einer alten Grenzlinie, die noch 1956 während der britischen Herrschaft über Sudan markiert wurde. Von den Ölvorkommen war damals noch nichts bekannt. Traditionell leben hier die afrikanischen Ethnien der Dinka und der Nuer. Während der Verhandlungen zur neuen Grenzziehung im Jahr 2005 vor der Unabhängigkeit Südsudans 2011 waren bezüglich der strategisch wichtigen Region um Heglig keine Übereinkünfte erzielt worden, was nun eine Ursache für die bewaffneten Auseinandersetzungen ist.

Wo einst der »Mahdi« einen blutigen Glaubenskrieg auslöste, tobt heute der Kampf ums Öl.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 18. April 2012

Letzte Meldung

AU fordert Rückzug von Sudans Grenze

Addis Abeba. Im Konflikt zwischen dem Sudan und dem Südsudan hat die Afrikanische Union (AU) beide Seiten erneut zum Rückzug ihrer jeweiligen Truppen aus der umkämpften Grenzregion Abyei aufgefordert. Die rund 300 sudanesischen und etwa 700 südsudanesischen Soldaten müßten von dort abziehen, erklärte die AU am Dienstag in einer Mitteilung. Angesichts der anhaltenden Spannungen zwischen beiden Ländern gab sich die Staatengemeinschaft »ernstlich besorgt«.

Der UN-Sicherheitsrat erwägt nach Angaben aus Diplomatenkreisen vom Dienstag inzwischen Sanktionen gegen beide Länder. Die USA entsandten ihren Vermittler für den Konflikt zu den Staatschefs beider Seiten. Wie Regierungssprecher Mark Toner sagte, kam Princeton Lyman bereits in der südsudanesischen Hauptstadt Juba mit Kiir zusammen. Er solle auch in der sudanesischen Hauptstadt Khartum mit Al-Baschir sprechen.

Am Mittwoch wurden neue Kampfhandlungen von der Grenze zwischen den beiden Ländern gemeldet. (AFP/dapd/jW)
(junge Welt, Donnerstag, 19.04.2012)


Baschir droht Südsudan mit Krieg

Die Kriegsrhetorik zwischen Sudan und Südsudan verschärft sich. Sudans Präsident Omar al-Baschir kündigte an, sein Ziel sei es, den Süden von der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) »zu befreien«. Bei der SPLM handele es sich um Insekten, die vernichtet werden müssten, sagte Baschir vor Mitgliedern der Jugendbewegung seiner sudanesischen Nationalkongresspartei, wie die Zeitung »Sudan Tribune« am Donnerstag berichtete. Der Vizepräsident Südsudans, Riek Machar, rief seinerseits die Jugend seines Landes auf, sich der Armee anzuschließen, um die Grenzen zu sichern.
(nd, 20. April 2012)




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