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Kein Frieden in Ostafrika

Nach der Abspaltung des Südsudan ist kein Ende der Kämpfe absehbar

Von Simon Loidl *

Knapp zwei Monate nach der offiziellen Abspaltung des Südsudan vom Norden des ostafrikanischen Landes halten die bewaffneten Auseinandersetzungen in den beiden nun unabhängigen Ländern an. Während in der vergangenen Woche im Südsudan mehrere hundert Menschen bei Auseinandersetzungen um Viehherden und Wasserstellen getötet wurden, dauern die Spannungen auch im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südsudan an.

Besonders unübersichtlich ist die Lage in Südkordofan, dem sudanesischen Bundesstaat an der Grenze zum Süden. Große Teile der Bevölkerung dieser Region sehen sich als Teil des neuen Staates Südsudan und haben auch während des Bürgerkrieges bis 2005 auf Seiten des Südens gekämpft. Da auch nach dessen Abspaltung der Grenzverlauf bislang nicht endgültig festgelegt wurde, waren weitere Auseinandersetzungen absehbar. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind bereits Zehntausende Menschen vor den Kämpfen aus der Region geflohen. Ein vor zwei Wochen veröffentlichter UN-Bericht zählt zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch die sudanesische Armee auf. Die Regierung in Khartum macht indes bewaffnete Aufständische für die seit Wochen andauernden Kämpfe verantwortlich. Diese würden versuchen, die Kontrolle über die Region zu erlangen.Das strategische Interesse der Regierungen beider Länder an der Region ist groß, immerhin handelt es sich um ein erdölreiches Gebiet. Dies erklärt auch das starke internationale Interesse und die fortgesetzte Einmischung von Lobbygruppen. Das vom US-Schauspieler George Clooney initiierte Sentinel-Projekt etwa, das mittels einer Satellitenüberwachung des Sudan Menschenrechtsverletzungen aufdecken will, hat erst in der vergangenen Woche Bilder von angeblichen Massengräbern in Südkordofan präsentiert. Der sudanesische Botschafter bei den Vereinten Nationen wies dies umgehend zurück. Zwar habe es zweifellos zahlreiche Todesopfer in der Region gegeben, jedoch gingen diese auf das Konto der südsudanesischen Armee, so Daffa-Alla Elhag Ali Osman am Mittwoch in New York. Zudem wies der Diplomat auf die positiven Entwicklungen hin. Einen Tag vor der Veröffentlichung der Satellitenbilder hatte der Präsident des Sudan, Omar Al-Baschir, während eines Besuchs in Südkordofan eine einseitige Waffenruhe verkündet. Auch die Vereinten Nationen selbst konnten die Angaben des Sentinel-Projekts über Massengräber nicht bestätigen.

Mit der neuerlichen Gewalteskalation im Sudan und Südsudan ist nun eingetreten, wovor Beobachter des Abspaltungsprozesses gewarnt hatten. Die Teilung des Landes führte nicht zu einer Beilegung der zahlreichen Konflikte, sondern zu ihrer Verlagerung und teilweisen Verschärfung. Während im Süden tribale Fehden offenbar wieder heftiger aufbrechen, ist durch das Fehlen einer für alle Beteiligten akzeptablen Lösung des Grenzkonflikts in Südkordofan ein baldiges Ende der Gewalt unwahrscheinlich.

Indessen ist die Entwicklung der zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht nach wie vor unklar. Das Kernproblem der Teilung betrifft den wichtigsten Rohstoff des Landes. Während der Großteil des Erdöls im Südsudan liegt, befindet sich die Infrastruktur zur Weiterverarbeitung ebenso im nördlichen Nachbarland wie der Hafen zum Weitertransport. Damit ist das Potential für eine weitere Eskalation der lokalen wie zwischenstaatlichen Konflikte genauso gegeben wie eine Ausweitung der westlichen Militärpräsenz in der Region.

* Aus: junge Welt, 29. August 2011


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