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Zumas zweite Chance

Die südafrikanische Regierungspartei ANC gewinnt souverän

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Südafrika hat gewählt. Der seit 1994 regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) hat die Wahlen, wie erwartet, klar gewonnen.

Wem er seine Stimme gegeben hat, wollte Südafrikas Präsident Jacob Zuma nicht sagen (»Das ist ein Geheimnis«) und lachte danach selbst am lautesten über seinen Witz. Stattdessen prophezeite er bei seiner Stimmabgabe, dass »die Ergebnisse sehr gut werden würden«. Gut für wen? Selbstverständlich den Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und damit für ihn, denn nun steht einer weiteren Amtszeit als Präsident für den durchaus umstrittenen Spitzenkandidaten nichts mehr im Weg.

Nach dem letzten Stand der Auszählung haben 62,5 Prozent der Wähler dem ANC ihre Stimme gegeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 73,1 Prozent. Gegenüber dem vorangegangenen Votum 2004 hat der ANC leicht verloren und liegt etwa auf dem Niveau von 1994, als Nelson Mandela für den ANC den ersten Wahlsieg errang.

Mit Ausnahme der Provinz Westkap, wo die größte Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) seit 2009 regiert, konnte der ANC alle Provinzen mit 70 bis 80 Prozent der abgegebenen Stimmen klar gewinnen. Auch in der bevölkerungsreichsten Provinz Gauteng mit der Wirtschaftsmetropole Johannesburg liegt der ANC mit etwa 53 Prozent der Stimmen vorn. In Johannesburg selbst kommt der ANC jedoch nur noch auf 46 Prozent. 2016 wird in den Städten und Gemeinden Südafrikas gewählt, dann könnte es in Südafrikas größter Stadt für Zumas Partei eng werden.

Südafrikas Oppositionspartei DA gewann 22 Prozent der Stimmen und konnte damit fünf Prozentpunkte hinzugewinnen. Auch konnte die Allianz die Provinz Westkap verteidigen. Dennoch verfehlte Oppositionsführerin Hellen Zille ihr Ziel von 30 Prozent klar. Die für das Jahr 2019 geplante Ablösung des ANC als stärkste politische Kraft durch die DA ist damit wohl in weite Ferne gerückt.

Als zweitstärkste Oppositionskraft konnten sich die Economic Freedom Fighters (EEF) mit Julius Malema, dem früheren Präsidenten der ANC-Jugendliga, an der Spitze, etablieren. Aus dem Stand errang Malema etwa sechs Prozent der Stimmen. Damit erreichen die »Wirtschaftsfreiheitskämpfer« etwa den Stimmenanteil, den 2004 die damalige ANC-Abspaltung COPE (Kongress für das Volk) erhalten hatte, die jetzt auf weniger als ein Prozent abgestürzt ist.

In zwei Provinzen konnten sich die wirtschaftlichen Freiheitskämpfer von der EFF als zweitstärkste Kraft etablieren. In der vom dreimonatigen Streik der Platinbergarbeiter erschütterten Provinz Nord-West, wo 2012 in Marikana 34 Bergarbeiter bei Auseinandersetzungen in einer Platinmine mit der Polizei erschossen wurden, machten fast 13 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei den EFF. Die Malema-Partei konnte dort ganz offenbar viele enttäuschte Bergarbeiter mit ihren Forderungen nach Nationalisierung der Bergbaukonzerne und Enteignung der weißen Farmer für sich gewinnen.

Die EFF haben mit diesem Wahlergebnis die Chance, sich als »linke« Alternative zum ANC zu präsentieren, sollte ihr Führer Malema, gegen den diverse Verfahren unter anderem wegen Steuerhinterziehung laufen, nicht aus der Politik ausscheiden müssen.

Mit dem Erfolg der EFF wird es die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA schwer haben, ihre Pläne zur Bildung einer neuen Arbeiterpartei in die Tat umzusetzen. Die Workers and Socialist Party (WASP), die auch vom Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (Die LINKE) unterstützt wurde, hat diese Erfahrung schon gemacht. Malemas Anziehungskraft lässt kaum Platz für eine andere linke Kraft jenseits des ANC. Die WASP erhielt gerade einmal 0,05 Prozent der Stimmen.

Mit dem Sieg des ANC im Rücken kann Zuma weitere fünf Jahre als Präsident wirken. Er hat mit dem guten Ergebnis für seinen ANC eine zweite Chance erhalten. Seine erste Amtszeit war überschattet von den Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die in Südafrika zum Abbau von mehr als einer Million Arbeitsplätzen führte. Nun liegt es an ihm, ob er seine Korruptionsaffären hinter sich lassen und zwanzig Jahre nach Ende der Apartheid den dringend notwendigen neuen Aufbruch Südafrikas organisieren kann. Die ANC-Spitze selbst wird turnusmäßig 2017 wieder gewählt. Bis dahin muss Zuma liefern.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 10. Mai 2014


Mangels besserer Alternativen

Martin Ling über den Wahlsieg des Afrikanischen Nationalkongress in Südafrika trotz eines umstrittenen Spitzenkandidaten und vieler Skandale **

Es fehlt nicht an Unmut in Südafrika: 20 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen klafft die Schwere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Dass zu den Reichen nun auch das schwarze Establishment aus dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und die schwarze Wirtschaftselite gehören, ist den armen Schwarzen kein Trost. Die mehrfachen gewaltsamen Proteste in den Wochen vor den Wahlen wegen mangelhafter Wasser- und Stromversorgung haben das unterstrichen.

Einiges hat sich in Südafrika in den 20 Jahren ANC-Regierung geändert, einiges hat sich auch verbessert, denn die Regierung investiert durchaus in all die Mangelbereiche von Wasser-, Strom- und Sanitärversorgung, kann aber nicht annähernd den Bedürfnissen gerecht werden. Die soziale Spaltung blieb unberührt: Erste Welt existiert weiter direkt neben dritter Welt. Wer nicht privat versichert ist, dem bleiben nur unterfinanzierte, schlecht ausgestattete Krankenhäuser. Im Bildungssystem ist es ähnlich.

Dass der ANC dennoch mit großer Mehrheit wieder gewählt wurde, liegt an mangelnden glaubwürdigen Alternativen. Die Demokratische Allianz gilt als weiße Partei und damit für die meisten Schwarzen als unwählbar, der radikale Justus Malema vielen als Maulheld. Bleibt nur der ANC.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 10. Mai 2014 (Kommentar)


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