Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Sargnägel für COSATU

Spitze des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes will linken Generalsekretär loswerden

Von Christian Selz *

Zwelinzima Vavi hat sich festgelegt. »Ich werde an der Sitzung des Zentralen Exekutivkomitees von COSATU nicht teilnehmen«, ließ der Generalsekretär des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes am Montag vergangener Woche via Twitter wissen. Seine für die restliche Führung des Congress of South African Trade Unions vernichtende Begründung lieferte Vavi gleich mit: Er glaube nicht daran, »Einheit zu schaffen, indem man einfach weiter macht, während die Hälfte der Gewerkschaften sich weigern teilzunehmen«. Die Quittung bekam der linke Gewerkschafter dann mit der Abschlusserklärung des dreitägigen Treffens: Der Generalsekretär sei im Bericht einer Prüfungsgesellschaft zu Unregelmäßigkeiten beim Verkauf des ehemaligen COSATU-Hauptquartiers in Johannesburg »impliziert« worden, steht in dem Dokument. Selbst trotz mehrmaliger Versuche seitens der Auditoren habe er nicht zu den Vorwürfen gegen ihn befragt werden können.

Der vermeintliche Immobilienskandal ist ein alter Hut, mit dem der rechte COSATU-Flügel schon einmal versucht hat, Vavi zum Nehmen seines selbigen zu bewegen. Vavi war 2011 für den Verkauf des alten COSATU-Hauses verantwortlich. Das Unternehmen, das den alten Büroblock erwarb, soll den Vorwürfen zufolge Vavis Stieftochter beschäftigt haben, zu der Vavi nach eigenen Angaben aber keinen Kontakt mehr hatte. Die wahren Gründe für die Ausbootung des bei den Mitgliedern populären Generalsekretärs, der gegen die weit verbreitete Selbstbereicherung, Vetternwirtschaft und Korruption in Gewerkschaft und Regierung stets klar Position bezogen hatte, sind politische.

Der COSATU bildet mit der South African Communist Party (SACP) und dem African National Congress (ANC) die Regierungsallianz in Südafrika. Wirtschaftspolitisch setzt der innerhalb des Bündnisses dominante ANC neben staatlichen Infrastrukturmaßnahmen maßgeblich auf Privatinvestitionen – und allenfalls bei der Integration schwarzer Kapitalisten in weiße Eliten auf regulierende Eingriffe. Die SACP hat sich auf diesem Kurs im wesentlichen kooptieren lassen, das Verhältnis des COSATU zum ANC war dagegen seit Jahren ein zwiespältiges. Trotz seiner offenkundigen Marginalisierung bei programmatischen Entscheidungen ist der Gewerkschaftsbund bis zum heutigen Tag Teil der Regierungsallianz geblieben. Dort ist COSATU zwar mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern eigentlich die größte Organisation, konnte sich aber selbst mit arbeitspolitischen Forderungen wie dem Verbot von Leiharbeit nie entscheidend durchsetzen. Das wird in konstanter Regelmäßigkeit – so auch im jetzt veröffentlichten Sitzungsprotokoll – kritisiert, blieb aber zumindest bis vor gut einem Jahr fast immer ohne Konsequenzen.

Im Dezember 2013 lieferte der Dauerkonflikt jedoch den Anlass zur Spaltung des Gewerkschaftsbunds, als die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA den »Nationalen Entwicklungsplan« der Regierung als »Programm unseres Klassenfeindes« bezeichnete und dem ANC die Unterstützung im Wahlkampf verweigerte. Dafür wurde die NUMSA, mit über 330.000 Mitgliedern mit Abstand die größte Einzelgewerkschaft des COSATU, im November vergangenen Jahres aus der Föderation ausgeschlossen. Der Schritt war jedoch nicht allein das Resultat der internen Auseinandersetzung sondern auch des Wirkens einer »Task Force«, die der ANC entsandt hatte. Wie zynisch das Treiben der verbliebenen Gewerkschaftsführung ist, die ihre derzeitige Rolle offensichtlich in völliger Loyalität zum ANC unter Staats- und Parteipräsident Jacob Zuma sieht, zeigt das am Donnerstag auf der eigenen Internetseite veröffentlichte Protokoll der Sitzung des Exekutivkomitees. Es sei »schwer zu verstehen«, heißt es in dem Schreiben, dass Vavi dem Treffen ferngeblieben sei, obwohl er doch von dem »ANC-geführten Prozess hin zum Erreichen von Einheit und Zusammenhalt in der Föderation« hätte wissen müssen.

Diese Einheit und diesen Zusammenhalt hat die Führung um COSATU-Präsident Sdumo Dlamini allerdings selbst nachhaltig zerstört. Mit dem Ausschluss der sozialistischen NUMSA hat sie Fakten geschaffen und innerhalb des Gewerkschaftsbunds für eine Mehrheit zugunsten des dem ANC loyalen Flügels gesorgt. Ohne die NUMSA-Stimmen ist der von der Gewerkschaftslinken lange geforderte Sonderkongress, den Dlamini nun – O-Ton im Protokoll – für den Juli »gewährte«, nahezu bedeutungslos. Der Versuch, die NUMSA wieder in den COSATU zu integrieren, dürfte dort scheitern.

Statt dessen soll eine neue Metallarbeitergewerkschaft namens Liberated Metal Workers Union of SA (LIMUSA) aufgenommen werden. Vor dem Hintergrund der COSATU-Prämisse »eine Branche – eine Gewerkschaft« macht dieses Vorhaben deutlich, dass die NUMSA im COSATU keine Perspektive mehr hat. Die kämpferische Gewerkschaft will nun am Aufbau einer neuen »Vereinigten Front« mitwirken. Langfristig wird die Bildung einer Arbeiterpartei angestrebt, die gegen den ANC antreten soll. Die Spaltung der südafrikanischen Arbeiterschaft, vor der Vavi stets gewarnt hatte, ist nicht mehr aufzuhalten. Die Reste des COSATU sind auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Und die Ausbootung des Generalsekretärs selbst – das scheint er erkannt zu haben und deshalb blieb er der Show-Sitzung des Exekutivkomitees fern – ist auch nur noch eine Frage der Zeit.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 10. März 2015


Zurück zur Südafrika-Seite

Zur Südafrika-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage