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"Hinter dem 'Fall Zuma' steckte eine Verschwörung"

Südafrikas Minister für Arbeit, Geoff Doidge, hält den ANC-Chef für einen Mann des Volkes, der das Regieren versteht

Geoff Doidge (55), seit 15 Jahren engagierter und populärer ANC-Parlamentarier, zeitweilig auch Fraktionsführer, wurde im September 2008 von Übergangspräsident Kgalema Motlanthe ins Kabinett berufen. Es wird erwartet, dass er auch nach den Wahlen am 22. April in der Mannschaft des künftigen Präsidenten Jacob Zuma eine wichtige Rolle spielen wird. Für das "Neue Deutschland" (ND) befragte ihn Birgit Morgenrath.
Wir dokumentieren das Interview im vollen Wortlaut.



ND: Südafrika hat eine Arbeitslosenrate von über 40 Prozent. Hat das von der Regierung aufgelegte Arbeitsbeschaffungsprogramm die Lage verbessern können?

Doidge: Eine ganze Generation hat gegen die Apartheid gekämpft und ihre Schulausbildung nicht beenden können, sie leidet besonders unter der Arbeitslosigkeit. Diese Leute haben durch das Programm wenigstens zeitweilig ein Einkommen und dazu eine Grundausbildung erhalten, als Klempner, Elektriker, Maurer oder Tischler. Frauen bekommen ein kleines Gehalt für die Pflege ihrer kranken Nachbarn in Gebieten, wo es noch keine Krankenhäuser gibt. Wir haben in vier Jahren 1,3 Millionen Arbeitsplätze geschaffen - mehr als geplant.

Die Regierung hat das Programm kürzlich erweitert. Obwohl auch Südafrika die Weltwirtschaftskrise bereits zu spüren bekommt ...

Wir können uns kein Konjunkturprogramm wie europäische Staaten leisten. Darum hat die Regierung das Arbeitsbeschaffungsprogramm erheblich ausgeweitet. Wir wollen in den nächsten fünf Jahren 4,5 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Und unser Konzept der Grundausbildung für Benachteiligte soll auch in ein Infrastrukturprogramm einfließen - das mit 787 Milliarden Rand (umgerechnet 67 Milliarden Euro - d.Red.) nach China und den USA drittgrößte Programm der Welt. Menschen lernen, Schülerpulte zu zimmern, Abfall zu sammeln und zu recyclen oder als zivile Helfer der Polizei der Kriminalität in ihren Wohnvierteln vorzubeugen.

Der ANC wird mit großer Wahrscheinlichkeit seine Zweidrittelmehrheit im Parlament verlieren. Wird die Partei aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?

Wir haben durchaus eine Erfolgsgeschichte der letzten 15 Jahre vorzuweisen: 500 Häuser wurden pro Tag gebaut und 1000 Haushalte täglich ans Stromnetz angeschlossen. Fast 80 Prozent aller Haushalte haben Wasseranschlüsse. Das spricht für sich. Aber wenn wir nicht so überbürokratisch vorgegangen wären, hätten wir mehr tun können. Unsere Verwaltungen hatten so große Angst, Gesetze nicht buchstabengetreu zu befolgen und Fehler zu machen, dass sie Entscheidungen endlos lange hinausgeschoben haben.

Es wird auch gesagt, dass Fachleute fehlten ...

Ja, fehlende Qualifikationen und Kompetenzen haben größere Probleme verursacht.

Ich habe als Parlamentarier an vielen Gesetzen mitgewirkt, und wir haben nach der Uhr gearbeitet. Als neuer Minister war ich erstaunt und schockiert, wie ineffizient die Exekutive ist. Aber jetzt sind alle aufgewacht. Die neue ANC-Führung hat unmissverständlich klar gemacht: Erzählt uns nicht, warum ihr bestimmte Dinge nicht umsetzen könnt. Dann müsst ihr eben neue Wege finden. Wer Politik nicht praktisch umsetzt, der verliert seinen Posten, sei er Minister oder einfacher Beamter.

Jacob Zuma, der Präsidentschaftskandidat des ANC, ist umstritten. Erst kürzlich wurde ein Korruptionsverfahren im Zusammenhang mit einem staatlichen Rüstungsauftrag gegen ihn eingestellt. Ist das eine gute Empfehlung für den zukünftigen Präsidenten Südafrikas?

Jacob Zumas politische Verdienste sind leider relativ unbekannt, in Südafrika und anderswo. Er war zehn Jahre im Gefängnis auf Robben Island, er war im Exil. Er war es, der den Friedensvertrag 1990 mit den Weißen geschlossen hat und vor den Wahlen 1994 die schlimmen Kämpfe im Süden des Landes zwischen ANC-Anhängern und politischen Gegnern beendet hat. Das war er, nicht Mandela und nicht Thabo Mbeki. Das hat ihm bisher keiner zugute gehalten.

Aber die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren nicht aus Mangel an Beweisen eingestellt, sondern weil es Manipulationsversuche durch Zumas innerparteiliche Gegner rund um Expräsident Thabo Mbeki gegeben haben soll.

Für mich war von Anfang an klar, dass dahinter eine Verschwörung steckt. Wer sonst in Südafrika wurde 33 Mal vor Gericht zitiert, bevor der Fall am Ende zurückgezogen wird? Die Geschichte wird eines Tages über uns richten. Dafür ist es noch zu früh. Wir sind erst einmal alle erleichtert, dass der Fall niedergeschlagen wurde, weil gar kein »Fall« existierte. Auf jeden Fall bringt Jacob Zuma viele gute Eigenschaften für das Amt des Präsidenten mit. Er ist ein Mann des Volkes, er engagiert sich leidenschaftlich für die Probleme der Menschen, und er versteht das Regieren. Ich bin sehr zuversichtlich und würde gerne in seinem Kabinett dienen, weil ich weiß, dass wir gut Politik machen können.

* Aus: Neues Deutschland, 22. April 2009


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