In KwaZulu-Natal schwelt ein Konflikt
Tausend Inkatha-Kämpfer haben ihren Platz im Südafrika nach der Apartheid nicht gefunden
Von Hans-Georg Schleicher *
Die Provinz KwaZulu-Natal im Osten Südafrikas hat eine lange konfliktreiche Geschichte. Zahlreiche
ehemalige Paramilitärs der Inkatha-Freiheitspartei, die einst gegen die Befreiungsbewegung ANC
kämpften, sind bis heute nicht in die Gesellschaft integriert. Sie könnten zu einer Gefahr für die
Stabilität der Region werden, warnen Konfliktexperten.
Mary de Haas beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Gewalt und Konflikten in KwaZulu-Natal. Sie
hat sich jetzt zu Wort gemeldet und vor einer zunehmenden Mobilisierung ehemaliger Angehöriger
von »Selbstschutzeinheiten« der Inkatha an der Nordküste der Provinz gewarnt. Der Fall ist typisch
für viele ungelöste Probleme, mit denen sich Südafrikas Regierung konfrontiert sieht.
KwaZulu-Natal ist die Hochburg der Inkatha-Partei, die sich vor allem auf das Volk der Zulus stützte
und vom Apartheid-Regime als Gegengewicht zum Afrikanischen Nationalkongress (ANC) gefördert
worden war. Dazu gehörten geheime Bewaffnung und Militärausbildung. Auseinandersetzungen
zwischen Inkatha, ANC und der mit ihm verbündeten Vereinten Demokratischen Front (UDF) wurden
in den 80er und den frühen 90er Jahren oft in blutigen und verlustreichen Kämpfen ausgetragen.
Lokale Kriegsfürsten verschärften die Lage. Erst Jahre nach der formellen Überwindung der
Apartheid 1994 wurde KwaZulu-Natal befriedet. Inzwischen ist der ANC auch in dieser Provinz
stärkste Partei und regiert dort gemeinsam mit Inkatha in einer Koalition.
Sicherheit gehört zu den schwierigen Problemfeldern Südafrikas. Die anhaltende Gewalt ist zum Teil
dem Erbe der Apartheid geschuldet und hat sich seit deren Ende angesichts fortbestehender
sozialer Konflikte nur bedingt vermindert. KwaZulu-Natal war neben den großen Ballungsgebieten
schon immer eine sicherheitspolitische Problemzone – vor dem Hintergrund einer langen Geschichte
bewaffneter Auseinandersetzungen, die bis zum Widerstand der Zulus gegen britische Truppen im
19. Jahrhundert zurückreicht. In der Zulu-Bevölkerung gibt es zudem eine ausgeprägte Tradition
gewaltsamer »Konfliktbereinigung«. Seit Jahrzehnten schwelende Konflikte können sich plötzlich
neu entzünden. Hinzu kommt die politische Gewalt der jüngeren Vergangenheit, die nur mühsam
eingedämmt werden konnte.
Zwölf Jahre nach dem Ende der Apartheid sind deren Schatten noch allgegenwärtig. Im Norden
KwaZulu-Natals geht es um tausend ehemalige Inkatha-Kämpfer, die ihren Platz im neuen Südafrika
bisher noch nicht gefunden haben. Die deutlich reduzierten Sicherheitskräfte Südafrikas konnten nur
einen begrenzten Teil dieser Kräfte aufnehmen. Die ehemaligen Paramilitärs in KwaZulu-Natal
bezeichnen sich selbst als »Südafrikas nicht integrierte Streitkräfte« und streben weiterhin ihre
Aufnahme in die Armee an. Fast 900 von ihnen fühlten sich von der Inkatha-Führung im Stich
gelassen und traten dem ANC bei, dem ehemaligen politischen Gegner, weil sie hofften, ihre
Integration auf diese Weise befördern zu können. Damit wurde das Problem zum Gegenstand von
Auseinandersetzungen zwischen Inkatha und ANC in der Provinz. Beide Parteien haben in ihrer
Koalition viele der dauerhaften politischen Spannungen unter Kontrolle halten können, sind aber
auch weiterhin für Querelen jeder Art anfällig. Der ANC wies die Beschuldigung von Inkatha zurück,
den ehemaligen Kämpfern die Aufnahme in die Streitkräfte versprochen zu haben. Die Integration
ehemaliger Militärs in die Armee sei bereits vor langer Zeit abgeschlossen worden.
Mary de Haas sieht in der anhaltenden Perspektivlosigkeit der militärisch ausgebildeten Männer eine
Gefahr für die Stabilität in der Provinz. Von deren Nordküste würden Überfälle und Gewalttaten in
zunehmender Zahl gemeldet, von denen manche mit militärischer Präzision geplant und
durchgeführt worden seien. Den ehemaligen Kämpfern wird nicht automatisch die Beteiligung an
solchen Gewalttaten unterstellt. Aber ihre soziale und psychologische Situation mache sie
besonders anfällig für die Anwerbung durch kriminelle Banden, glaubt de Haas. Ihr Kollege Protas
Madlala sprach sogar von einer »tickenden Zeitbombe«, die schnell entschärft werden müsse. Er
empfiehlt, die ehemaligen Paramilitärs bei der Bekämpfung der Kriminalität einzusetzen. Dazu
bedürfe es jedoch finanzieller Mittel, einer guten Ausbildung und anderer Unterstützung.
* Aus: Neues Deutschland, 28. März 2007
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