Die Akzeptanz unter den Ethnien wächst
Am Tag gegen Rassendiskriminierung denkt Südafrika an das schwere Erbe der Apartheid
Von Markus Schönherr, Kapstadt *
Heute ist der Internationale Tag gegen
Rassendiskriminierung. In Südafrika
fragt sich eine Nation: Wie viel
Rassendenken steckt 18 Jahre nach
dem Ende der Apartheid noch in dem
Staat am Kap?
»Junge Buren glauben, dass sie
ihre Frauen oder ihre Kinder besitzen.
« Diese Aussage sorgte in
Südafrika für nationales Aufsehen,
denn sie stammte von Familienministerin
Lulu Xingwana. Kritiker
forderten ihren Rücktritt. Sie sei
nicht mehr tragbar, da sie im multiethnischen
Südafrika über einzelne
Volksgruppen urteile.
Dagegen meint Franz Jooste, in
Südafrika könne man nur zweierlei
sein: entweder ein Rassist oder
blind. Nach dem Ende der Apartheid
war der 57-jährige Bure aus
den Streitkräften ausgeschieden,
heute betreibt er ein paramilitärisches
Trainingslager. Sein »Kommandokorps
« ist einer von etwa
einem Dutzend rechtsradikaler
Militärvereine in Südafrika. Als
Gefahr für eine stabile Demokratie
gelten die heute nicht mehr.
Während Schwarze, Weiße,
Coloureds, Indians/Asians und
andere Gruppen heute politische
Freiheit genießen, hat die Apartheid
vor allem in der Wirtschaft
Spuren hinterlassen. Es gibt einige
schwarze Millionäre, die die Jahre
nach der Apartheid genutzt haben.
Doch die Wirtschaft blieb im Kern
in den Händen einer weißen Elite
und die Ungleichheit zwischen
Arm und Reich wuchs. Das spiegelt
sich im Einkommen wieder: Auf
das reichste Zehntel der Bevölkerung
entfällt mehr als die Hälfte
des Volkseinkommens, dem ärmsten
Viertel bleiben gerade einmal
3,3 Prozent.
In afrikanischen Boomstaaten,
etwa Nigeria oder Kenia, brachte
das Wachstum eine stabile Mittelschicht
hervor. In Südafrika dagegen
bröckelt die Mitte: Regierungsangaben
zufolge schrumpfte
das Einkommen der Mittelschicht
im vergangenen Jahr, während
das der Elite erneut stieg. Für die
11,5 Millionen Südafrikaner, die
unter der Armutsgrenze leben,
änderte sich nichts. Die Ungerechtigkeit
führt immer häufiger zu sozialen
Spannungen – wie im vergangenen
August, als die Arbeiter
der Marikana-Mine den Aufstand
übten und 34 Bergleute bei den
Protesten umkamen.
Die Regierung unter dem Afrikanischen
Nationalkongress (ANC)
will der wachsenden Ungleichheit
entgegenwirken. Mit dem »Broad-
Based Black Economic Empowerment
« sollen alle ehemals unterdrückten
Ethnien wirtschaftlich
gestärkt werden. Gibt es für einen
Posten zwei gleich kompetente Arbeiter,
soll der Bewerber aus der
früher benachteiligten Bevölkerungsgruppe
bevorzugt werden.
Giles Harris in Kapstadt sieht sich
als Opfer dieses Gesetzes. Er ist
Mitte 50, männlich und weiß –
derzeit die schlechtesten Voraussetzungen
für ein Bewerbungsgespräch.
Kritikern zufolge schaffe
die Regierung damit wieder, was
sie eigentlich zu bekämpfen suchte:
Ausgrenzung nach Rasse. Selbst
Desmond Tutu wettert gegen den
ANC: »Was nützt schwarze Stärkung,
wenn sie nicht der breiten
Masse hilft, sondern nur einer
kleinen Elite?«
Das Land am Kap scheint noch
auf seinem Weg zur Selbstfindung.
Immerhin ist die Akzeptanz zwischen
Schwarz und Weiß heute so
groß wie nie zuvor, wenn es nach
Ralph Mathekga geht. Der Johannesburger
Politologe warnt vor
»gelegentlichen ausländerfeindlichen
Attacken«, registriert aber
seit 1994 keine ethnischen Konflikte.
»Der Großteil der Südafrikaner
lebt heute in Städten, und
das führt zu einem großen Maß an
Toleranz.«
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 21. März 2013
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