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Klassenkampf im Schacht

Der weltgrößte Platinförderer Anglo American Platinum droht in Südafrika mit Schließungen und Massenentlassungen, die Bergarbeiter mit Aufstand

Von Christian Selz, Rustenburg/Kapstadt *

Die Fronten sind verhärtet. Arbeitsplatzverluste seien unumgänglich, es sei denn »ein Ritter in glänzender Rüstung« trete noch auf den Plan, läßt Chris Griffith, Vorstandsvorsitzender von Anglo American Platinum (Amplats) nicht ohne lyrischen Wert wissen. »Wir sind bereit, uns dem Unternehmen zu stellen, wenn die weiterhin davon reden, Schächte zu schließen und Arbeiter zu feuern«, hält Gaddafi Mdoda, Bergarbeiter und Sprecher des Anglo American Workers Comitee, dagegen. Griffith spricht vor einem Ausschuß zur Bergbaukrise im südafrikanischen Parlament, einem prächtigen Kolonialbau im Zentrum Kapstadts, Mdoda sitzt in einer kleinen Runde von Bergarbeitern in einem zugewucherten Park am Rande von Rustenburg, dem Zentrum des südafrikanischen Platinbergbaus. Der steckt in der Krise, »Umstrukturierungen« sind nötig, erklärt Griffith der politischen Elite. Die Bosse stecken mit der Regierung unter einer Decke, sagt Mdoda zum zustimmenden Nicken seiner Kollegen – und versichert, daß sie kämpfen werden.

Bei Amplats geht es seit Jahresbeginn um 14000 der insgesamt knapp 60000 Arbeitsplätze. Vier Schächte will der Konzern stilllegen, weil das Geschäft mit Platin einfach nicht mehr rentabel sei, wie Griffith sagt. Südafrikas Bergbauministerin Susan Shabangu, eine Gegnerin von Verstaatlichungen, drohte dem Unternehmen daraufhin mit dem Entzug der Konzession. Seitdem erklärt sich Amplats der Regierung, der Ton ist friedlicher geworden. Seine grundsätzlichen Überlegungen hat der Konzern aber nicht geändert. Der Markt sei übersättigt, die Preise für das Edelmetall liegen am Boden, die Kosten steigen – wobei letzteres durchaus als trotziges »selber Schuld!« an die Kumpel verstanden werden darf. Acht Wochen lang hatten die im vergangenen Herbst gestreikt für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und für höhere Löhne. Ihre Forderung nach mindestens 16000 südafrikanischen Rand (1350 Euro), was mehr als einer Verdreifachung des damaligen Einstiegsgehalts von 5000 Rand entsprochen hätte, war die radikalste in der gesamten Streikwelle, die hunderttausende Kumpel monatelang auf die Straße brachte. Drei Tote forderte der Konflikt. Doch anders als ein paar Kilometer weiter westlich in Marikana, beim weltweit drittgrößten Platinproduzenten Lonmin, wo die Bergleute deutliche Gehaltszuwächse erkämpfen konnten, beugte sich Amplats nicht. Der Konzern drohte mit Massenentlassungen, feuerte Kumpel per SMS und ließ den Streik letztendlich buchstäblich verhungern. Für Lohnerhöhungen von mickrigen 400 Rand und eine Einmalzahlung von 4500 Rand kehrten die Arbeiter schließlich in die Schächte zurück.

Vergebens war ihr Kampf dennoch nicht, denn die Bergarbeiter in Rustenburg haben Strukturen geschaffen, die ihnen in künftigen Kämpfen deutlich mehr Rückgrat versprechen. Sie haben die unselige Allianz zwischen den Bergbaukonzernen und der mit diesen kollaborierenden Gewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) gebrochen. Der Schritt war auch für den immer konservativer agierenden ANC ein schwerer Schlag, der Südafrika in einer Allianz mit der programmatisch bedeutungslos gewordenen Kommunistischen Partei (SACP) und dem Gewerkschaftsbund COSATU regiert. Dessen Gründungszelle und stärkste Einzelgewerkschaft war noch vor einem halben Jahr die NUM – bis mit den ungeschützten Streiks, gegen die sich die Gewerkschaft bis zum Schluß gestellt hatte, die Austrittswelle einsetzte.

Zähneknirschend und mit Verweis auf die eigene Verpflichtung auf die Gleichbehandlung von Gewerkschaften, übertrug Amplats mittlerweile der jungen, radikalen Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU) das gewerkschaftliche Mandat über die Belegschaft. Angesichts der Mitgliederzahlen der AMCU, der sich über vierzig Prozent der Kumpel bei Amplats angeschlossen haben, war der Schritt überfällig, auch wenn die NUM sich bis heute weigert, ihre Verluste öffentlich zu machen.

Weil Funktionäre der alteingesessenen Bergarbeitergewerkschaft Büros nicht räumen wollten, kam es dennoch erneut zu Auseinandersetzungen. Der Sicherheitsdienst setzte Gummigeschosse ein, für 13 Menschen endete der Konflikt nach Schichtende im Krankenhaus. Die neuen Kraftverhältnisse sind trotzdem klar. »Wir haben jetzt eine Dachorganisation«, sagt Mdoda über AMCU und hofft damit, künftig mehr Kampfstärke zu haben. Amplats scheint das zu wissen, mit der Umsetzung seiner Entlassungsankündigung zögert der Konzern seit Monaten. Solange schwelt der Konflikt weiter. Kampflos aufgeben, soviel macht Mdoda klar, werden die Kumpel ihre Jobs jedenfalls nicht.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 27. März 2013


"Wir alle hier werden nie wieder ANC wählen"

Südafrikas Bergarbeiter kämpfen für ein besseres Leben – und gegen ihre Regierung. Ein Gespräch mit Gaddafi Mdoda **

Sie kämpfen für höhere Löhne. Wer sind Ihre Kontrahenten?

Unser Gegner sind die Minenbosse und die Bergarbeitergewerkschaft NUM. Wir haben schon gemerkt, daß es schwer wird, gegen erstere anzukommen. Die Bosse liegen in einem Bett mit der südafrikanischen Regierung. Die Leute von NUM lassen uns seit langer Zeit im Stich. Sie haben Anteile am Unternehmen. Da ist es natürlich nicht leicht, dem Konzern etwas abzuringen und die Löhne derer zu erhöhen, die für das Unternehmen arbeiten.

Was ist passiert, als Sie Ihre Klagen vor dem Streik an die NUM herangetragen haben?

Wir haben sie angesprochen und unsere Probleme vorgetragen. Sie wußten, daß es früher oder später einen Aufstand geben würde, aber sie haben sich nicht darum gekümmert, unsere Situation zu ändern. Wir haben ihnen gesagt, daß wir nicht zufrieden sind. Die Gehaltserhöhungen 2010 und 2011 sind ohne unser Mandat vereinbart worden. Das kam für uns völlig überraschend – und das Ergebnis war nicht gut.

Während des Streiks hatten wir keine Gewerkschaft, jetzt haben wir eine. AMCU wurde gerade anerkannt. Wir sind bereit, uns dem Unternehmen zu stellen, wenn weiter davon die Rede ist, Schächte zu schließen und Arbeiter zu feuern.

Erkennt Ihr Komitee AMCU als seine Gewerkschaft an?

Definitiv, ja. Aber das Komitee wird sich nicht auflösen. Wir wollen sicherstellen, wieder die Zügel übernehmen zu können, falls AMCU uns morgen enttäuscht.

Meinen Sie, die südafrikanische Regierung will die Minen tatsächlich retten?

Nein. Die südafrikanische Regierung ist nicht da, um die Arbeiterklasse zu schützen. Es war Cyril Ramaphosa, der heute ANC-Vizepräsident ist, der vor dem Massaker in Marikana per E-Mail ein »entschiedenes Durchgreifen« gefordert hatte.

Was macht Sie so sicher, daß die Minen nicht geschlossen werden?

2012 hat uns auch niemand zugetraut, daß wir den Mut haben, uns dem Unternehmen zu stellen. Aber wir haben es geschafft. Wir haben Unterstützung, sogar international. Die meisten Südafrikaner haben genug vom System des ANC.

Kann Ihr Kampf Auswirkungen auf die Wahlen 2014 haben?

Ganz sicher. Zählen Sie mal, wie viele wir hier sind. Von keinem, der im Bergbau arbeitet, wird der ANC je wieder eine Stimme bekommen. Auch nicht von unseren Familien. Ich habe früher den African National Congress gewählt, aber das ist lange her. Wir alle hier werden nie wieder ANC wählen.

Interview: Christian Selz

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 27. März 2013


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