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Tod eines Nazis

In Südafrika wurde Rassistenführer Eugene Terre’Blanche erschlagen

Von Christian Selz, Kapstadt *

Der südafrikanische Rassistenführer Eugene Terre’Blanche ist tot. Vermutlich im Streit um nicht gezahlten Lohn wurde der 69jährige auf seiner Farm nahe Ventersdorp, 130 Kilometer westlich von Johannesburg, von zwei seiner Arbeiter erschlagen,. Obwohl ein rassistisches Motiv ausgeschlossen werden kann, beschwört die extreme Rechte Südafrikas nun einen Krieg zwischen Weißen und Schwarzen herauf. Die von Weißen geprägte Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) nutzt die Gunst der Stunde und versucht, alte Lieder des Freiheitskampfes als Mordursache zu konstruieren. Unterdessen rief Südafrikas Präsident Jacob Zuma zur Ruhe auf, verurteilte die Tat und sprach den Hinterbliebenen sein Beileid aus.

Einen schlechteren Zeitpunkt hätten sich die beiden 15- und 21jährigen Farmarbeiter aus Sicht des ANC und dessen Jugendliga-Vorsitzenden Julius Malema wahrscheinlich nicht aussuchen können, um ihren offensichtlich verhaßten Chef mit einem Gehstock und einer Machete zu Tode zu prügeln. Südafrika steckt gerade mitten in einer Debatte um das alte Freiheitskampf-Lied »Ayesaba Amagwala« (Die Feiglinge haben Angst) mit seiner Zeile »Tötet den Buren«. Malema und ANC-Sprecher Jackson Mthembu hatten das Lied vor Kurzem öffentlich gesungen, sich aber auf seine geschichtliche Bedeutung berufen, wonach im übertragenen Sinne die Apartheid getötet werden sollte. Ein Gericht verbot das Singen des Liedes daraufhin.

Kurz nach Terre’Blanches Tod machte Oppositionsführerin Helen Zille von der DA prompt dieses Lied als Mordmotiv aus: »Das Singen von Liedern wie ›Tötet den Buren‹ erzeugt ein Klima, in dem Gewalt als angemessene Antwort auf Probleme gesehen wird.« Der unter Druck geratene Mthembu reagierte umgehend: »Der ANC wird erörtern, ob es angebracht ist, weiter in dieser Weise zu singen.«

Nach Aussage der Täter, die am Tatort auf die Polizei warteten, um ihre Sicht der Dinge zu schildern, ging es in dem eskalierten Streit allerdings gar nicht darum, Buren zu töten. Vermutlich kannten die beiden Jugendlichen nicht einmal die Mediendebatte. Der vorbestrafte Rassist Terre’Blanche habe ihnen ihren Monatslohn von jeweils 350 Rand (35 Euro) nicht bezahlt und zudem gedroht, sie umzubringen, deswegen hätten sie zugeschlagen.

Unwahrscheinlich ist das nicht, denn Terre’Blanche ist kein unbeschriebenes Blatt. 1997 wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er einen Tankstellenarbeiter angegriffen und einen ehemaligen Angestellten fast totgeschlagen hatte. Die von ihm gegründete Afrikaaner Widerstandsbewegung (AWB), eine radikale, paramilitärische Burengruppe, die sich gern Nazisymbolik und -methodik bediente, kämpfte für den Erhalt der Rassentrennung und erschoß in den 1980er und 1990er Jahren wahllos Schwarze. Nach dem Ende der Apartheid setzte sich die AWB kaum erhört für die Einrichtung einer unabhängigen Burenrepublik nur für Weiße ein und versank in der Bedeutungslosigkeit. Doch weder der krasse Rassismus des AWB noch der Skandal der Quasi-Versklavung von Landarbeitern, die häufig auf den Farmen ihrer Bosse wohnen und ihren Hungerlohn mangels Transportmöglichkeiten auch nur im farmeigenen Geschäft ausgeben können, wird nun skandalisiert. Südafrika diskutiert über internen Rassismus, und die Medien verbreiten Brandreden des AWB-Sprechers Andre Visagie, der ankündigte, seine Organisation werde »über die Maßnahmen entscheiden, die zu treffen sind, um Herrn Terre’Blanches Tod zu rächen.« Medienberichten zufolge existiert bereits eine Ketten-SMS, die ein Kopfgeld auf Julius Malema aussetzt. Doch aller Voraussicht nach wird die im Scheinwerferlicht der Fußballweltmeisterschaft aufgeblasene Mediendebatte sehr bald verpuffen. Denn die blanken Tatsachen verdienen weder weltweite Empörung, noch können sie die WM in irgendeiner Form gefährden. Lediglich das ANC-Liedgut könnte leiden.

* Aus: junge Welt, 6. April 2010


Zuma warnt nach Mord vor Rassenhass **



Nach der Ermordung des Führers der burischen Rechtsextremisten, Eugene Terreblanche, fürchtet Südafrika neue Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen. Präsident Jacob Zuma warnte schon Stunden nach der Tat am Samstagabend vor neuen Rassenkonflikten. »Die schreckliche Tat« dürfe nicht dazu missbraucht werden, »Rassenhass anzustacheln oder anzuheizen«. »Niemand darf das Gesetz in seine Hände nehmen«, sagte der Präsident, der sich auch am Sonntag in einem Radiointerview bemühte, zehn Wochen vor der Fußball-WM in Südafrika die Lage zu entspannen. Zuma forderte von Politikern aller Parteien, nach dem »feigen Mord« Verantwortungsbewusstsein zu zeigen. Er warnte vor »missverständlichen« Reden, die die innere Einheit der jungen Nation gefährden könnten. Die Chefin der oppositionellen Demokratischen Allianz (DA), Hellen Zille, meinte, der Mord werde die ohnehin angespannte Lage in Südafrika verschärfen. »Wir müssen nun mehr denn je der rassischen Polarisierung Widerstand leisten«, sagte die Ministerpräsidentin der Provinz Western Cape. Sie kritisierte scharf »Hassreden« insbesondere der Linken und der Jugendorganisation der Regierungspartei ANC.

Terreblanche war am Samstag (3. April) auf seiner Farm nach Polizeiangaben von zwei schwarzen Arbeitern mit einer Machete und einem Schlagstock getötet worden. Der Führer der rechtsextremen südafrikanischen Burenbewegung »Afrikaner Weerstandsbeweging« (AWB) und die beiden jungen Männer im Alter von 15 und 21 Jahren waren nach Polizeiangaben wegen eines angeblich nicht bezahlten Lohns in Streit geraten. Ihnen droht Anklage wegen Mordes.

** Aus: Neues Deutschland, 6. April 2010


Pulverfass Südafrika

Von Martin Ling ***

Mord ist in Südafrika Alltag – rund 50 Menschen werden dort täglich ermordet. Meist sind es »nur« Fälle für die Statistik, meist sind sowohl Opfer wie Täter Schwarze. Mehr als Grundsatzerklärungen zur Gewaltbekämpfung ringen sich südafrikanische Politiker aller Couleur deshalb auch in der Regel nicht ab. Ganz anders im Fall von Eugene Terreblanche. Die Ermordung des Rechtsextremisten durch zwei junge schwarze Männer aus mutmaßlich profanen Gründen wie vorenthaltener Lohnzahlung bewegt quer durch alle Parteien. Vom schwarzen Präsidenten Jacob Zuma bis zur weißen Helen Zille, der einzigen oppositionellen Chefin einer Provinzregierung, rufen alle zur Mäßigung auf und warnen vor Rassenunruhen. Allein die Rechtsradikalen aus Terreblanches Umfeld reden von einer »Kriegserklärung« der Schwarzen an die Weißen.

Fakt ist, dass die sozialen Verhältnisse auch 16 Jahre nach Ende der Apartheid einer Kriegserklärung gegenüber der schwarzen Bevölkerungsmehrheit gleichkommen: Jeder dritte Südafrikaner verfügt über ein Tageseinkommen von maximal 15 Rand (ca. 1,35 Euro), es fehlt vielerorts an Wasser, Strom und Toiletten – von Arbeitsplätzen ganz zu schweigen. Ohne eine grundlegende soziale Transformation wird Südafrika ein Pulverfass bleiben. Der Fall Terreblanche ist dafür unerheblich.

*** Aus: Neues Deutschland, 6. April 2010 (Kommentar)


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