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Südafrikas Heiler unter Beobachtung

Skandale bringen traditionelle Medizin in Verruf

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Der 30. August ist der Welttag der Traditionellen Afrikanischen Medizin. Doch Südafrikas Medizinmänner fielen zuletzt einzig durch Betrugs- und Vergewaltigungsskandale auf. Die Regierung will Scharlatanen jetzt entgegenwirken, indem sie traditionelle Heiler binnen drei Jahren ins staatliche Gesundheitssystem zu integrieren versucht.

Ewiges Glück, Reichtum und die große Liebe. All das versprach ein Medizinmann einem Paar in der südafrikanischen Provinz Nordkap, ehe er mit knapp einer Million Rand (etwa 72 000 Euro) untertauchte. Traditionelle Heiler, sogenannte Sangomas, machten zuletzt vor allem durch Skandale von sich reden. Dennoch scheint ihr Einfluss am Kap ungebrochen.

»Der Heiler versprach, ihr Geld zu verdoppeln und ihnen bessere Jobs zu verschaffen«, berichtet Polizeisprecherin Priscilla Naidu. Die Sicherheitskräfte ermitteln derzeit landesweit gegen Sangomas, die ihren Einfluss für kriminelle Aktivitäten nutzen. Die Bevölkerung riefen sie auf, alle Heiler zu melden, die auf einen betrügerischen Nebenverdienst abzielen.

Für Lebensglück tauschte ein Mann bei einem Sangoma kürzlich seinen Wagen ein, andere gaben ihre Kühe und erst am Dienstag nahm die Polizei zwei traditionelle Heiler fest, die Geld fälschten. Bei Betrug bleibt es aber oft nicht. Anfang des Jahres sorgte ein 60-jähriger Sangoma für Aufsehen, der eine 13-Jährige heiratete – angeblich mit dem Einverständnis der Eltern. In guter Absicht brachten kürzlich auch andere Eltern ihre beiden Töchter zu einer traditionellen Behandlung. Der Medizinmann vergewaltigte die Jugendlichen und wurde Anfang August zu lebenslanger Haft verurteilt.

Eine nationale Umfrage fand 2011 heraus, dass bloß 0,1 Prozent der Südafrikaner mit ihren Leiden einen Sangoma aufsuchen. Der Großteil lasse sich in öffentlichen Krankenhäusern oder von Privatärzten behandeln. Doch vor allem in ländlichen Gegenden und in Gemeinschaften mit geringer Bildung besitzen Sangomas immer noch enormes Ansehen.

In KwaZulu-Natal, einer traditionellen Hochburg der Zulu-Kultur, wurde ein Verfahren gegen ein Krankenhaus eröffnet. Zwei Krankenschwestern hatten ein Baby an einen Medizinmann verwiesen, da die »Ahnen böse auf das Kind« gewesen seien. Die spätere Diagnose: Bronchitis.

Unterdessen laufen auch Ermittlungen gegen einige Medizinmänner der diesjährigen Einführungsphase. Bei diesen rituellen Beschneidungen kamen im Juli mehr als 30 Jugendliche ums Leben und über 300 wurden verletzt.

Heilerin ist auch Claire Shields. Sie ist eine der wenigen Sangomas mit weißer Hautfarbe. Die Südafrikanerin mit europäischen Wurzeln empfängt ihre Patienten in einer Gartenhütte in einem Vorort von Kapstadt. Sie bedauert die Horrorgeschichten, durch die Scharlatane ihren Beruf in ein schlechtes Licht stellen. Stolz präsentiert Shields ihren Sangoma-Ausweis im Scheckkartenformat, den die Regierung seit 2007 an traditionelle Heiler herausgibt. Eine mehrjährige Lehre gilt als Voraussetzung. Unterdessen wurde im Februar das »Gremium traditioneller Heiler« gegründet. Innerhalb von drei Jahren sollen Sangomas in das staatliche Gesundheitssystem integriert werden. »Wir unterrichten traditionelle Heiler in Gesundheitsförderung, öffentlicher Bildung und lernen ihnen die Symptome, bei denen sie an ein Krankenhaus verweisen müssen«, so das Gesundheitsministerium.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 31. August 2013


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