Südafrika will Landreform beschleunigen, 22.08.2006
Weiße Farmer wehren sich gegen Schuldzuweisungen und berufen sich auf bestehende Gesetze
Von Hanna Ndlovu, Kapstadt *
2007 könnten in Südafrika die ersten weißen Farmer enteignet werden. Damit hat jetzt die
Landwirtschaftsministerin Lulu Xingwana gedroht. Der südafrikanische Farmerverband wirft ihr
derweil Populismus vor.
Eine tief greifende Landreform in Südafrika steht weiter aus. Das Konzept des »willigen Verkäufers,
willigen Käufers« greift viel zu langsam, als dass die Pläne der Regierung zur Vergabe von Land an
arme Schwarze umgesetzt werden könnten. Wenn es nach der Landwirtschaftsministerin Lulu
Xingwana geht, wird sich das alsbald ändern. »Wir haben sechs Monate Zeit für Verhandlungen.
Wenn sie nichts fruchten, werden wir Farmer enteignen«, kündigte Xingwana dieser Tag in
Polokwane, der Hauptstadt der Nordprovinz Limpopo, an. Präsident Thabo Mbeki hat seiner
Ministerin grünes Licht gegeben, die Landreform bis 2008 umzusetzen. Alle
Landrückgabeforderungen – etwa noch 10 000 – sollen bis dahin erledigt werden. Dem Volk werde
seit zwölf Jahren Land versprochen, sagt sie. »Länger kann es nicht mehr warten.«
Hans van der Merwe, Exekutivdirektor vom südafrikanischen Farmerverband AgriSA, wehrt sich
dagegen, dass die Regierung für ihre eigene Unorganisiertheit und Langsamkeit bei der
Durchsetzung der Landreform ausschließlich den Widerstand der weißen Farmer verantwortlich
macht. Van der Merwe betont, dass das Gesetz derzeit noch eine andere Sprache spricht und die
Betroffenen das Recht hätten, die Gerichte anzurufen. Enteignungen wie in Simbabwe seien
verfassungswidrig. Tatsächlich ist wohl das Hauptproblem der schleppenden Durchsetzung der
Landreform nachlässige Arbeit und Korruption im Ministerium, die Regierungschef Mbeki mit
Neubesetzungen an der Ministeriumsspitze in den Griff zu bekommen versucht. Lulu Xingwana ist
die jüngste Berufung, die nun zu beschleunigen versucht, was ein Jahrzehnt versäumt wurde.
Im Jahre 1994 verkündete die Regierung Mandela eine Landreform, nach der bis zum Jahre 2014
dreißig Prozent des südafrikanischen Nutzbodens in weißen Händen an schwarze Eigentümer
zurückübertragen werden müsse. Bis heute sind es nur vier Prozent. Es gibt gegenwärtig noch 43
000 kommerzielle weiße Farmer, von denen nach Abschluss der Landreform 12 000 ihre Betriebe
abgeben müssten.
Nach einem Bericht des südafrikanischen Fernsehen ist es gar nicht einfach, schwarze Menschen
zu gewinnen, die kommerzielle Farmer sein wollen – auch wenn die Landlosenbewegung und viele
einst enteignete dörfliche Gemeinschaften immer wieder gegen die weißen Farmer wettern. 43
Prozent der schwarzen Menschen leben inzwischen in Städten und setzen für den Lebensunterhalt
eher auf Staatshilfe als auf harte Farmarbeit. Selbst in den ehemaligen Homelands, wo die Familien
kleine Stückchen Land zur Bewirtschaftung besitzen, bearbeiten sie es häufig nicht. Doch der
Bericht stellte auch fest, dass sich langsam eine Klasse schwarzer kommerzieller Farmer
herausbildet, die nicht bearbeitetes Land pachten und mit gezieltem Anbau und erfolgreicher
Vermarktung langsam wirtschaftlich würden. Das ist laut dem Fernsehbericht jedoch die Ausnahme:
Die große Masse der einfachen Dorfgemeinschaften, die ihr Land wieder bekommen hätten, sei
mangels kommerzieller Erfahrung nicht in der Lage, erfolgreiche Betriebe aufzubauen. Deswegen
müsse die Regierung ihr Programm mit billigen Krediten, Ausbildungsprogrammen, Management
sowie Maschinenausleihstationen und Vermarktungshilfen begleiten. Ansonsten sei es eine Illusion,
das Ziel zu erreichen, den Anteil der schwarzen kommerziellen Farmer auf etwa 30 Prozent zu
erhöhen.
Insgesamt bietet die Landwirtschaft durchaus Potenzial und ist einer der wichtigsten
Produktionszweige: Mais, Weizen, Pflanzenöle, Obst und Weine werden in großen Mengen
exportiert. Mit der Förderung der Herstellung von Treibstoff aus Biomasse sehen die Farmer gerade
eine neue große Gewinnquelle. Zuckerrohr und Mais sollen dafür erst einmal für Pilotprojekte
angebaut werden.
* Aus: Neues Deutschland, 21. August 2006
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