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Schwierige Landreform in Südafrika

Gesetzesverschärfung setzt uneinsichtige weiße Farmer unter Druck

Von Hanna Ndlovu, Kapstadt*

355 weiße Farmen müssen in den nächsten Monaten zurückgegeben werden – 10 000 weitere Fälle sind noch strittig. Mit neuen Gesetzen versucht die südafrikanische Regierung, der Armut der schwarzen Bevölkerung auf dem Land Herr zu werden.

Sie nennen es Enteignung. Doch vergessen die weißen Farmer in ihrer Empörung über das Vorgehen der Regierung, dass es ihre Vorfahren waren, die seit 1913 die schwarze Bevölkerung aus ihren angestammten Gebieten mit rassistischen Landgesetzen systematisch vertrieben haben. Wie schon für März von Präsident Thabo Mbeki angekündigt, beginnen nun mit Verspätung Verkaufsverhandlungen mit weißen Farmern über die Rückgabe von Vertriebenenland. Vorerst sind 355 Farmen identifiziert worden, die innerhalb des nächsten halben Jahres geräumt werden müssen. Insgesamt sind noch 10 000 solcher Fälle offen. Bis zum Jahre 2007 jedoch sollen alle Landrückgabeforderungen erledigt sein.

Nach den Worten des höchsten Beamten der Landrückgabekommission, Tozi Gwanya, wissen die Betroffenen um die Rückgabeforderungen seit Jahren und haben sich bis jetzt geweigert, überhaupt mit der Regierung zu verhandeln. Oder aber sie verlangen Preise, die oft das Doppelte der Regierungsangebote betragen. Bei den Beträgen handele es sich aber nicht um Almosen, sondern marktübliche Preise.

Nach dem Landrückgabegesetz muss unter der Apartheid oder weißer Kolonialherrschaft der nichtweißen Bevölkerung geraubtes Land an die früheren Eigentümer zurückgegeben werden. Die Landrückgabekommission, die gerichtliche Befugnisse hat, überprüft die Forderungen auf Rechtmäßigkeit. Ihr Urteil ist endgültig und muss befolgt werden. Trotzdem ziehen betroffene weiße Farmer stets vor die Gerichte und verzögern die tatsächliche Durchsetzung der entsprechenden Beschlüsse. Das soll sich nun ändern. Wer nicht in Verhandlungen mit der Regierung tritt und auf seinen überhöhten Preisforderungen besteht, soll innerhalb von 30 Tagen ein verbindliches Angebot erhalten. Wenn das auch nichts nützt, soll mit Zwangsräumung gedroht werden.

Die Landreform ist jedoch mehr als nur Regelung von Rückforderungen. Nach ihrem Abschluss 2014 sollen 30 Prozent des Landes schwarzen Besitzern gehören. Dabei kann es sich auch um spezielle Firmen handeln. 2004 hatte die Regierung ein »Black Economic Empowerment« Gesetz erlassen, um die Beteiligung von Schwarzen zu fördern und wirtschaftlicher Diskriminierung vorzubeugen. Eines dieser Empowerment-Unternehmen ist Lereko, das auch im Tourismusbereich aktiv ist. An diese Holding hat Sappi, der größte südafrikanische Forstwirtschaftskonzern, erst vor wenigen Tagen nicht forstwirtschaftlich nutzbares Land für 245 Millionen Rand (32 Millionen Euro) verkauft. Das sind 25 Prozent seiner Gesamtlandfläche, gegen die es 43 Rückgabeforderungen von Vertriebenen gab. Nun wird Lereko mit den Betroffenen über Auszahlungen oder Einbeziehung in vorgesehene Aktivitäten zur kommerziellen Landnutzung verhandeln.

Die OSZE sieht in der Landenteignung nicht die Lösung des Problems der Armut in Südafrika. Doch hat die Regierung des Landes nicht die Absicht, auch weiterhin 87 Prozent des gesamten Farmlandes in weißer Hand zu belassen. 53 Prozent aller schwarzen Südafrikaner leben immer noch auf dem Lande, sie sind am stärksten von Armut betroffen. Die Regierung beabsichtigt aber, die neuen Agrarflächen nicht für Subsistenzwirtschaft bereitzustellen, sondern eine kommerziell arbeitende schwarze Bauerngemeinschaft aufzubauen, die aus gut ausgebildeten jungen Farmern besteht. Da aber die weißen Farmer sowohl die Technik, das Saatgut als auch die Vermarktung im Agrargeschäft kontrollieren, wird die Regierung auch hier eingreifen müssen.

In der Frage der Landnutzung stärkt ein neues Gesetz nun auch die Rechte der Menschen in den ehemaligen Homelandgebieten. Bis heute üben traditionelle Stammesautoritäten bei der Landzuweisung immer noch viel Macht aus. Vor allem Frauen leiden darunter, dass ihnen selbständige Landnutzung verweigert wird. Von den 21 Millionen Schwarzen, die von Subsistenzwirtschaft leben, sind 60 Prozent Frauen.

Aus: Neues Deutschland, 27. April 2006


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