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Südafrikas Konsumenten sollen Maß halten

Steigende Staatsausgaben und hohe Privatkredite führen zu schlechteren Zukunftsaussichten für das Land

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Mit Südafrikas Wirtschaft steht es nicht zum Besten: Arbeitslosigkeit und hohe Staatsausgaben belasten die Stabilität des Landes. Inzwischen bewerten auch Ratingagenturen die Lage schlechter.

Südafrikas finanzielle Aussichten verdüstern sich nach Ansicht der Ratingagentur Fitch, die die wirtschaftliche Zukunft des Landes negativer bewertet. Die Agentur Moodys hatte Südafrikas Wirtschaftsaussichten schon im November 2011 schlechter eingeschätzt, nun macht sich auch Fitch Sorgen, dass schwaches Wirtschaftswachstum, anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und stark steigende Staatsausgaben Südafrikas Stabilität gefährden könnte.

Angesichts der Wirtschaftskrise beim Haupthandelspartner EU und der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in den USA sehen die Analysten von Fitch zwei schwere Jahre auf Südafrika zukommen. Nach einer heftigen Rezession 2009 und dem Verlust von etwa einer Million Arbeitsplätzen hatte sich die Wirtschaft des Landes auch dank gestiegener Staatsausgaben im vergangenen Jahr gerade etwas erholt.

Südafrikas Währung Rand reagierte auf die negative Bewertung von Fitch mit Kursverlusten. Kurz darauf gewann der Rand gegenüber dem Euro und dem US-Dollar wieder an Wert. Südafrikas Staatsverschuldung ist im Vergleich zu vielen anderen Schwellenländern relativ gering: Gegenwärtig beträgt der Schuldenstand 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Die Opposition nahm die Negativbewertung zum Anlass, die stark steigenden Staatsausgaben zu kritisieren. Nach Ansicht der Demokratischen Allianz, Südafrikas größter Oppositionspartei, belastet auch die Diskussion um eine Verstaatlichung der Bergbaugesellschaften und die ablehnende Haltung der ANC-Regierung gegenüber dem Engagement ausländischer Investoren wie Wal-Mart die wirtschaftliche Situation Südafrikas. Der weltgrößte Einzelhändler Wal-Mart hatte vergangenes Jahr eine südafrikanische Supermarktkette, Massmart, übernommen. Seitdem befürchten vor allem die Gewerkschaften, dass es zu Arbeitsplatzverlusten kommen könnte.

Einige der südafrikanischen Experten, wie die Finanzmarktanalystin Annabel Bishop von Investec, kritisierten die veränderte Bewertung durch Fitch. Die Lage des Landes habe sich nicht verändert, eine Neubewertung sei daher nicht notwendig gewesen. Andere Experten, wie Razia Khan, Analyst bei Standard Chartered, zeigten sich dagegen wenig überrascht: Südafrikas schwaches Beschäftigungswachstum und die hohe Jugendarbeitslosigkeit belasteten die politische Stabilität des Landes immer stärker. Selbst führende Regierungspolitiker sprechen angesichts einer Arbeitslosenquote von 25 Prozent von einer »tickenden Zeitbombe« für Südafrika. Die negativere Bewertung durch Fitch sei deshalb nur konsequent, so Khan.

Südafrikas Ex-Finanzminister Trevor Manuel, der heute als Planungsminister im Kabinett des Präsidenten Jacob Zuma sitzt, treiben weniger die wachsenden Ausgaben des Staates für Infrastruktur, Sozialausgaben und Beschäftigungspolitik um, ihm macht die hohe Verschuldung der privaten Haushalte Sorge. Südafrikas Konsumenten sollten, so Manuel, endlich sparen lernen. Zu viele Haushalte lebten über ihre finanziellen Möglichkeiten. Hauptgrund seien falsche Vorbilder und Lebensstile.

Von den fast 19 Millionen Südafrikanern, die Zugang zu Krediten haben, sind fast neun Millionen mit ihren Kreditzahlungen mehr als drei Monate im Rückstand. Südafrikaner geben etwa 75 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Kreditrückzahlungen aus. Das Leben auf Pump ist im ganzen Land weit verbreitet. Zum Vergleich: In Europa beträgt der Anteil der Rückzahlungen am verfügbaren Einkommen nur 14,5 Prozent.

Aber nicht nur die Konsumenten sind dafür verantwortlich, auch die Banken vergeben oftmals zu leichtfertig Kredite: So erhielt ein Rentner in der Provinz Ostkap eine Hypothek in Höhe von 350 000 Rand (35 000 Euro). Er sollte pro Monat 4200 Rand an die Bank zurückbezahlen. Zusammen mit seiner Ehefrau verfügte er aber nur über 3700 Rand Einkommen und hatte monatliche Ausgaben von 2500 Rand.

* Aus: neues deutschland, 30. Januar 2012


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