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Herausforderung für den ANC

Südafrika: Kämpferin gegen Apartheid, Mamphela Ramphele, gründet eigene Partei

Von Christian Selz, Johannesburg *

Gwede Mantashe gab sich zynisch: »Sollen wir uns etwa Sorgen machen oder sie bitten, nicht bei Wahlen anzutreten?« Der Generalsekretär des African National Congress (ANC) kommentierte so die anstehende Gründung einer neuen Partei um Mamphela Ramphele, Aktivistin im Kampf gegen die Apartheid. In Südafrika gebe es über 100 registrierte Parteien, nun entstehe eine weitere. »Wir werden bei den Wahlen gegen jeden antreten, und wir sind überzeugt, daß wir gewinnen werden«, unterstrich Mantashe. Doch die Kritikerin der ANC-Regierung von Präsident Jacob Zuma könnte zur ernsthaften Herausforderin der bislang in ihrer Macht unangefochtenen Regierungspartei werden. Zumindest aber wird sie der nach wie vor weiß dominierten Opposition ein neues Profil geben können.

Auf den ersten Blick bringt Ramphele die Idealvoraussetzungen einer südafrikanischen Präsidentschaftskandidatin mit: Sie ist schwarz, eine exzellente Rednerin, über jeden Korruptionsverdacht erhaben und kann auf einen langen, aktiven Kampf gegen die Apartheid zurückblicken. Als die ANC-Führung entweder im Exil oder im Gefängnis auf Robben Island war, gründete die einstige Partnerin von Widerstandsikone Steve Biko – spätestens seit seiner Ermordung durch die Apartheid-Polizei 1977 so etwas wie ein südafrikanischer Che Guevara – selbstverwaltete Kliniken für die vernachlässigte und unterdrückte Bevölkerung auf dem Land. Die ausgebildete Ärztin war später in Kapstadt erste schwarze Vizekanzlerin einer südafrikanischen Universität und erste Südafrikanerin, die als Direktorin der Weltbank fungierte. Doch Ramphele hat auch Schwächen. Als Geschäftsfrau sitzt sie in etlichen Aufsichtsräten, darunter beim Bergbaugiganten Gold Fields, der nach den Streiks im vergangenen Jahr nun Massenentlassungen ankündigt. Die ersten Gerüchte über ihre Pläne, eine Partei zu gründen, sickerten zudem über den ehemaligen Vorsitzenden der stärksten Oppositionskraft, Democratic Alliance (DA), Tony Leon, durch. Der berichtete von einer Fundraising-Kampagne Rampheles in den USA. Entsprechend schießen die Spekulationen um ihre Absichten bereits vor der offiziellen Vorstellung der Partei, die für Montag geplant ist, ins Kraut.

Als »selbsternannte Beraterin von Kapital, Gewerkschaften und Staat« bezeichnete sie der Sprecher der Bergarbeitergewerkschaft NUM, Lesiba ­Seshoka. Der politische Kommentator und Aktivist der Schwarzenbewegung Andile Mngxitama sprach ihr gar »jegliche Anziehungskraft für die Basis« ab: »Sie ist mit dem weißen Bergbaukapital verknüpft, sie kann nicht behaupten, Teil der Black Consciousness zu sein.« Doch Ramphele auf ihre Wirtschaftsnähe zu reduzieren, das greift zu kurz. Die Gründerin zweier Basisorganisationen für mehr Bürgerengagement im sozialen Sektor ist eine wichtige Kritikerin des südafrikanischen Schulsystems, das Kinder über Schulgebühren noch immer nach arm und reich trennt. Sie arbeitet seit Jahren an einer Verbesserung des vielerorts kollabierten staatlichen Gesundheitssystems. »Wir haben einen ineffektiven, korrupten Staat – korrupt, bis zum Kern«, schimpfte Ramphele vor einem halben Jahr im jW-Interview. Ihre Kritik stößt vor allem in der Zuma-kritischen schwarzen Mittelschicht auf offene Ohren. »Das ist eine Klasse, mit der der ANC Probleme hat, seitdem Jacob Zuma Staatspräsident ist. Um sie wird sich der große Kampf bei den Wahlen 2014 drehen«, so der Kolumnist Justice Malala. »Das große Problem für viele ist Zumas moralische Unklarheit rund um Korruption. Sie brauchen eine Alternative, aber sie fühlen sich mit einer von Weißen geführten DA nicht wohl.«

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 14. Februar 2013


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