Daimlers schlechtes Gewissen
Kritische Aktionäre fordern Kurs auf Grün und Entschädigung von Apartheid-Überlebenden
Von Ina Beyer *
Am heutigen Mittwoch (14. April) kommen die Aktionäre des
Daimler-Konzerns in Berlin zu ihrer jährlichen Hauptversammlung
zusammen. Die Kritischen Aktionäre Daimler (KAD), die sich dafür
einsetzen, dass der Konzern gesellschaftliche Verantwortung übernimmt,
informierten am Dienstag (13. April) vorab über die aktuellen Entwicklungen.
»Wir fahren nicht nur in der Formel 1 um den Sieg, sondern auch in der
'Formel Grün' mit Premium-Automobilen, die Verantwortung für die Umwelt
und die Faszination von Mercedes-Benz vereinen«, verkündete
Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche anlässlich des Genfer Autosalons 2010.
Doch die Fahrt dorthin geht den Kritischen Aktionären längst nicht
schnell genug. »Daimler hinkt bei der Reduzierung des Flottenverbrauches
allen Wettbewerbern hinterher«, kritisierte Alexander Dauensteiner,
Verkehrsexperte des KAD, am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Unter
allen sechs Herstellern in Deutschland - Audi, BMW, Mercedes-Benz, Opel
und VW - weise die Daimler AG den schlechtesten Flottenverbrauchswert auf.
Grund sei vor allem, dass Daimler neue, alternative Antriebskonzepte
bestimmten Modellen vorbehalte, während diese etwa bei BMW-Neuwagen
serienmäßig angeboten würden. Die Kritischen Aktionäre fordern, dass
auch Daimler die umweltverträglicheren Antriebe serienmäßig aufnimmt.
Der KAD verlangt vom Daimler-Vorstand zudem, Entschädigungszahlungen an
die Apartheid-Opfer in Südafrika zu entrichten. Daimler und andere
Firmen werden beschuldigt, durch Lieferungen von Fahrzeugen und
Maschinen an die südafrikanische Polizei und das Militär Beihilfe zu
schweren Menschenrechtsverletzungen geleistet zu haben.
Seit 1978 lieferte Daimler mindestens 2500 Unimogs an das
Apartheid-Regime, vergab zudem Lizenzen für Dieselmotoren für Panzer und
Nutzfahrzeuge.
In New York ist seit 2009 vor einem Bundesbezirksgericht eine
entsprechende Sammelklage der Organisation Khulumani anhängig. In
Khulumani haben sich rund 58 000 Apartheid-Opfer zusammengeschlossen.
Neben Daimler werden dort auch die Firmen Rheinmetall, Ford, IBM und
General Motors beschuldigt, das südafrikanische Apartheid-Regime
unterstützt zu haben.
In Berlin war gestern auch Khulumani-Kläger Mpho Masemola anwesend. Der
Apartheid-Überlebende forderte Daimler auf, auf die Opfer zuzukommen,
endlich seine Archive zu öffnen und in Verhandlungen über
Wiedergutmachungen zu treten.
Zeitgleich mit der heutigen Daimler-Hauptversammlung startet die
Unterschriftenkampagne »Daimler - The Star of Apartheid«, initiiert von
Khulumani und der Menschenrechtsorganisation »medico international«.
Ziel der Kampagne ist es nach Angaben von KAD-Vorstand Dorothea
Kerschgens, die wachsende Aufmerksamkeit für die Fußball-WM in Südafrika
zu nutzen, um den Druck auf Daimler zu erhöhen. Bis Oktober sollen
tausende Unterschriften gesammelt und Konzernchef Zetsche übergeben
werden. Unterstützt wird die Kampagne in Deutschland auch von weiteren
Organisationen der Anti-Apartheid-Bewegung.
Weiterhin fordert der KAD vom Daimler-Vorstand die lückenlose Aufklärung
der Lieferungen von Mercedes-Lkw in Krisen- und Kriegsgebiete und den
Verzicht von Rüstungsexporten über die Daimler-Beteiligungen EADS und
Tognum. Der Daimler-Konzern profitiert durch die moralisch verwerflichen
Geschäfte von derzeit 34 tobenden kriegerischen Ausein-andersetzungen
weltweit.
Kampagne für Entschädigung von Apartheid-Opfern im Internet unter:
www.star-of-apartheid.de
* Aus: Neues Deutschland, 14. April 2010
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