Hunger in Südafrika wächst
Regierung spricht von »Krise« / Preise steigen jährlich um neun Prozent
Von Armin Osmanovic, Johannesburg *
Mehr als 12 Millionen Menschen sind
in Südafrika von Hunger bedroht. Vor
allem im Januar, wenn die Beschäftigungssituation
schlecht ist und durch
den Winter das Angebot an eigenen
Nahrungsmitteln gering ist und die
Preise steigen, gehen viele Menschen
hungrig zu Bett.
Laut einer neuen Studie der Universität
Kapstadt leiden viele
Menschen vor allem in den städtischen
Gebieten Südafrikas unter
Nahrungsmittelunsicherheit.
Die hoch technisierte Landwirtschaft
produziert genügend
Nahrungsmittel, um die jedes Jahr
um 1,1 Prozent wachsende Bevölkerung
von heute knapp 52 Millionen
zu ernähren. Seit Jahren ist
das Land sogar ein Nettoexporteur
von landwirtschaftlichen Gütern.
Grund für den Hunger sind die hohen
Lebensmittelpreise im Inland
und die Armut aufgrund von Massenarbeitslosigkeit.
Südafrikas Haushalte geben im
Durchschnitt 20 Prozent des
Haushaltseinkommens für Lebensmittel
aus. In der EU sind es
im Schnitt 10 bis 15 Prozent. Im
Rest von Afrika, dessen Bevölkerung
in der Mehrheit noch in den
ländlichen Gebieten von der Landwirtschaft
lebt, sind es aber über
die Hälfte der Menschen. Auch die
armen Bevölkerungsteile am Kap
geben etwa 50 Prozent ihres Einkommens
für Nahrungsmittel aus.
Unter den hohen Lebensmittelpreisen
in Südafrika, die jedes
Jahr um durchschnittlich neun
Prozent steigen, leiden die einkommensschwachen
Menschen in
den Städten Südafrikas, weil sie
mangels Gärten über keine selbst
angebauten Nahrungsmittel verfügen.
»Die Menschen in den
Städten sind einfach zu arm, um
sich Lebensmittel kaufen zu können,
« so Jane Battersby-Lennard,
Leiterin der Studie an der Universität
Kapstadt.
Gegen Ende des Monats bleibt
in vielen Haushalten kein Geld
mehr für das Essen. Häufig wird
dann versucht in den Läden anschreiben
zu lassen oder von
Freunden oder Arbeitgebern einen
Kredit zu bekommen. Gekauft wird
dann meist nur noch Brot, das als
Weißbrot für weniger als einen
Euro pro Kilo zu haben ist und
Maismehl, das als Brei gegessen
wird. Kinder gehen meist mit nur
einem halben Sandwich in die
Schule. Diese Mangelernährung
schädigt die Kinder. Viele von ihnen
sind daher krank. Ihre schulischen
Leistungen sind schlecht.
Die Situation vor Ort zerstört so
die Lebenschancen von Tausenden
von Kindern.
Nach Bekanntgabe der alarmierenden
Zahlen des Landwirtschaftsministeriums
und der Studienergebnisse
der Universität
Kapstadt ist eine Diskussion über
die Ursachen der Misere entbrannt.
Die Politik in Südafrika ist
besorgt und spricht von einer
»Krise«.
Viele Menschen in Südafrika
machen die Supermärkte und ihre
Preispolitik verantwortlich. Drei
Supermarktketten, Shoprite, PicknPay
und Spar kontrollieren mit
zusammen über 95 Prozent den
Markt für Lebensmittel. Zuhörer in
Radiosendungen zeigten sich wütend
und beschuldigten die Supermarktketten,
welche hohe Gewinne
einstreichen, für den Hunger
im Land verantwortlich zu
sein.
Die Regierung setzt im Kampf
gegen den Hunger zusammen mit
Nichtregierungsorganisationen auf
den Aufbau von städtischen Nahrungsmittelgärten
in Privathaushalten,
als städtische Kooperation
oder in Schulen.
* Aus: neues deutschland, Montag, 04. Februar 2013
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