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Weiter Jagd auf Gewerkschafter

Streiks in Südafrika weiten sich aus / Mitglieder der etablierten Gewerkschaften werden bedroht und getötet

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Die Streiks in Südafrikas Bergbau gehen weiter. 75 000 Bergleute, 15 Prozent aller Beschäftigten in diesem Wirtschaftsbereich, befinden sich zur Zeit im Ausstand. Neben dem Platinbergbau ist auch die Gold-, Chrom- und Kohleförderung im Land betroffen.

Südafrikas Bergleute fordern höhere Löhne und bessere Lebensbedingungen, vor allem wollen sie gute Unterkünfte. Viele der Kumpels, die unter Tage eine körperlich anstrengende und gefährliche Arbeit verrichten, sind Wanderarbeiter, die nur einmal im Jahr nach Hause fahren können und sonst in Massenunterkünften mit Stockbetten hausen müssen.

Streiks gibt es aber nicht nur im für Südafrikas Volkswirtschaft so wichtigen Bergbau, auch im Transportgewerbe wird seit Wochen gestreikt, so dass mancherorts schon Lebensmittel und Benzin knapp werden. Die Streikenden werden beschuldigt, andere Lastwagenfahrer von Brücken mit Steinen beworfen zu haben. Ein Lastwagenfahrer starb dabei und ein anderer verbrannte in seinem Lkw, als dieser entführt und anschließend in Brand gesetzt wurde.

Südafrikas wichtige Agrarwirtschaft hat die Transportgewerkschaften aufgefordert, nicht auch noch die Eisenbahnen und Häfen zu bestreiken. 2010 hatte der Streik nach Angaben der Unternehmen den Früchteproduzenten allein 150 Millionen Rand (15 Millionen Euro) Schaden zugefügt. Ebenfalls einen Arbeitskampf angekündigt, hat die Gewerkschaft der lokalen Verwaltungen in Südafrika. Der Streik könnte noch diese Woche beginnen.

Südafrikas Zentralbankchefin Gill Marcus hat angesichts der Streikwelle im Land vor einer Abwärtsspirale für die Wirtschaft gewarnt. Schon jetzt verliert Südafrikas exportorientierte Bergbauwirtschaft wegen der wilden Streiks Milliarden. Die Währung Rand hat unterdessen deutlich an Wert gegenüber US-Dollar und Euro verloren. Ratingagenturen sehen wegen der sich verschärfenden Arbeitskämpfe die Lage in Südafrika zunehmend negativ und haben das Land herabgestuft.

Die Gewerkschaften, an denen die Streikwelle in Teilen vorbeigegangen ist, versuchen, verlorengegangenes Terrain wieder gut zu machen. Auf dem Gewerkschaftstag von COSATU Mitte September hatte man sich darauf verständigt, wieder stärker auf die Gewerkschaftsbasis zuzugehen und ihre Belange wieder stärker zu berücksichtigen.

Die Streiks im Bergbau laufen weitgehend ohne Beteiligung der etablierten Gewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) ab. Vielmehr noch, es sind unzählige Arbeiter aus der Gewerkschaft ausgetreten, so dass die NUM in einigen Betrieben nur noch wenige Mitglieder zählt. Sie werfen der Gewerkschaft vor, zu sehr Unternehmerinteressen zu vertreten.

Verliert eine Gewerkschaft die Mehrheitsvertretung der Arbeitnehmer, können die Unternehmen die Betriebsvereinbarungen aufkündigen. Der Platinproduzent Impala, wo im Februar dieses Jahres Arbeiter ohne Beteiligung von NUM sechs Wochen für höhere Löhne gestreikt hatten, hat dies Anfang Oktober angekündigt, da NUM nur noch 13 Prozent der Arbeiter repräsentiert. Benötigt werden 50 Prozent und eine Stimme.

Die NUM kämpft nicht nur gegen den Vertrauensverlust, sondern auch mit einer neuen Konkurrenzgewerkschaft AMCU (Association of Mineworkers and Construction Union), die in ihren Forderungen weitaus radikaler ist und auch den Streik in Marikana, wo Mitte August 37 Menschen bei einem brutalen Polizeieinsatz ums Leben kamen, unterstützt hatte. Funktionäre der Gewerkschaft NUM müssen sogar um ihr Leben fürchten. Auch nach Ende des Streiks geht das Morden in Marikana weiter. Zwei Funktionären und eine Ehefrau eines Gewerkschafters wurden von Unbekannten getötet.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 12. Oktober 2012


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