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Showdown in Rustenburg

Südafrikas Gewerkschaftsbund COSATU will verlorenes Vertrauen zurückgewinnen

Von Christian Selz, Kapstadt *

Als Zwelinzima Vavi, Generalsekretär des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes¬COSATU, gemeinsam mit einigen Offiziellen der Bergbaugewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) am vergangenen Freitag zu streikenden Bergarbeitern einer Goldmine bei Orkney, südwestlich von Johannesburg, sprechen wollte, flogen Steine. Die Kumpel halten die Bergbaugewerkschaft für den korrupten langen Arm der Konzerne. Ihre aufgestaute Wut traf nun auch den bisher recht populären Generalsekretär der Muttergewerkschaft. »Wir sind okay, das Auto wurde nicht beschädigt«, ließ sich ein NUM-Koordinator nach der Attacke durch »diese Hooligans« zitieren. Vavi war dennoch schwer getroffen von der offenen Feindseligkeit.

Am Montag rief der ¬COSATU zu einem Protestmarsch in Rustenburg auf, am morgigen Samstag nun wird es in der Provinzhauptstadt des Minengürtels zum Showdown kommen. »Alle Arbeiter« der drei umliegenden Provinzen sollten »die Region um Rustenburg von den Kräften der Konterrevolution zurückgewinnen«, heißt es in dem Aufruf.

Rhetorik und Rednerliste deuten auf die Wichtigkeit der Aktion für Südafrikas Regierungsallianz, der neben dem ¬COSATU noch der African National Congress (ANC) unter Staatspräsident Jacob Zuma und die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP) angehören. Mit Vavi, Gwede Mantashe (ANC) und Blade Nzimande (SACP) werden die Generalsekretäre aller drei Allianzpartner in Rustenburg sprechen. Vavi will retten, was zu retten ist, die NUM durfte ihren Namen nicht unter den Aufruf setzen. Der Gewerkschaftsbund werde in den kommenden Wochen ein Koordinationszentrum in Rustenburg zur politischen und organisatorischen Lenkung einer neuen Kampagne aufbauen, so Vavi. Nachdem die NUM sich geweigert hatte, die Forderungen Hunderttausender Bergarbeiter nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen mitzutragen, gingen die in ungeschützte Streiks. Die Konzerne reagierten mit Einschüchterungen und Massenentlassungen, erst am Mittwoch kündigte AngloGold Ashanti 12500 streikenden Angestellten. Beruhigt wird die Situation dadurch nicht, und auch für Südafrikas einst so mächtigen Gewerkschaftsbund ist die Lage langsam existenzgefährdend – mit der NUM bricht die mitgliederstärkste Teilgewerkschaft des ¬COSATU zusammen.

Doch daß die morgige Großdemonstration den Ruf des Congress of South African Trade Unions tatsächlich aufbessern kann, gilt als zweifelhaft. Zu verhärtet sind die Fronten. Zwar ruft der COSATU ausdrücklich auch zu branchenweiten Solidaritätsaktionen und zur sofortigen Wiedereinstellung aller entlassenen Kumpel auf. Doch sträubt er sich nach wie vor, die Lohnforderungen der Streikkomitees zu unterstützen. Die Bergleute wissen, daß sie ohne den Verrat durch die NUM für die Konzernleitungen wesentlich weniger erpreßbar wären.

»Die Demo wird die Arbeiter nicht zusammenbringen, sondern den Konflikt verschärfen«, sagte daher der Generalsekretär des Democratic Socialist Movements (DSM), Weizmann Hamilton. Der COSATU versucht derzeit, die winzige trotzkistische Bewegung – eine von zwei radikal linken Organisationen, die versuchen, die isolierten Streiks an den verschiedenen Minen zu vernetzen – öffentlich als angebliche Speerspitze der Konterrevolution zu diskreditieren. Doch diese Sündenbockstrategie kann nur schlecht verschleiern, daß die Gegner des Gewerkschaftsbundes die enttäuschten Bergarbeiter selbst sind. Sie sehen auch im ¬COSATU – spätestens nach der neulich verkündeten Unterstützung für Jacob Zuma zur Wiederwahl als ANC-Präsident – den Staatsapparat, der sie brutal unterdrückt. In Marikana, wo im August 34 Bergarbeiter im Kugelhagel der Polizei starben, konnten die Kumpel ihre Forderungen inzwischen durchsetzen. Dennoch kam es in der vergangenen Woche wieder zum Ausstand, weil die Polizei Zeugen des Massakers verhaftet und eingeschüchtert hatte. Dagegen fand sich in dem ¬COSATU-Aufruf kein Wort.

* Aus: junge Welt, Freitag, 26. Oktober 2012


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