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Wenn die eigene Saat aufgeht

SODI unterstützt südafrikanische Farmerinitiativen bei Unabhängigkeitsbestrebungen von Agrarindustrie und Gentechnik

Von Andreas Bohne *

Saatgut wird immer weiter ökonomisch privatisiert und monopolisiert. Lokale Farmerinitiativen in Südafrika möchten daher unabhängiger von der Agrarindustrie werden. SODI unterstützt die ökologische und nachhaltige Nutzung von Anzuchtbeeten und Saatbänken zur Zucht von eigenem Saatgut und Setzlingen.

Vor kurzem trafen sich 20 Frauen aus vier lokalen Farmerinitiativen in der südafrikanischen Stadt Bisho. Zwei Tage intensiver Austausch und Diskussion unter den Teilnehmerinnen lagen vor ihnen. »Welche traditionellen Gemüsesorten gibt es, baut ihr an und züchtet ihr? Welche Erfahrungen haben andere Initiativen und Gruppen mit der Zucht von eigenem Saatgut gemacht? Was kann gegen genmodifizierte Pflanzen getan werden?« Das waren Schlüsselfragen, mit denen sich die Frauen in dem Workshop auseinandersetzten.

Eingeladen hatte die südafrikanische Landrechtsbewegung TCOE. Seit einem Jahr unterstützt der Verein Soli-daritätsdienst-international (SODI) seinen Partner TCOE und die vier Farmerinitiativen bei der ökologischen Zucht von traditionellem Saatgut und Nutzpflanzen. Die Mitglieder der Initiativen leben in der südafrikanischen Provinz Eastern Cape, die zu den ärmsten Regionen Südafrikas gehört. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebte 2010 unterhalb der Armutsgrenze. Familien auf dem Land sind dabei besonders von Armut betroffen. 60 bis 80 Prozent ihres Haushaltseinkommens geben sie für den Erwerb von Nahrungsmitteln aus. Das restliche Geld wird oftmals für Samen und Setzlinge verwendet. Dabei bleibt den Kleinbauern aus finanziellen Gründen oft nur die Möglichkeit, auf zwar kostengünstige, aber nur einjährig nutzbare hybride oder gar genmodifizierte Pflanzen zurückzugreifen.

Als erstes afrikanisches Land erließ Südafrika 1997 eine Erlaubnis für den kommerziellen Anbau von gen-modifizierten Pflanzen. Zurzeit werden genmanipulierte Pflanzen wie Mais, Baumwolle und Soja kommerziell angebaut. Daneben gibt es Feldversuche mit genmodifiziertem Zuckerrohr, Sorghum, Kassava und Kartoffeln, die sogar noch intensiviert werden sollen. In den letzten Jahren nahm die Anbaufläche deutlich zu. Laut Schätzungen stieg bei Mais der Anbau auf 78 Prozent der Fläche. Auch der Anbau hybrider Sorten nimmt weiter zu. Hybridpflanzen ermöglichen zwar höhere Ertragsleistungen, sie verlieren diese aber schon in der nächsten Generation. Da diese Pflanzen nur einjährig nutzbar sind, werden die Kleinbauern gezwungen, jährlich neue Samen für die Pflanzzeit zu kaufen. In den letzten Jahren wurde der südafrikanische Saatgutmarkt weiter privatisiert und wird von wenigen Agrarunternehmen beherrscht. So besitzen drei Unternehmen 68 Prozent der Mais-Sorten. Zu den Unternehmen gehören Pioneer Hi-Bred, Pannar und Monsanto (Südafrika).

Die Monopolisierung und das Ökonomisieren von Saatgut erschweren die Versorgung und den Zugang zu Saatgut für Kleinbauern. Dagegen kämpft die Landrechtsbewegung TCOE seit vielen Jahren. Eine Möglichkeit sieht die Landrechtsbewegung in der Nutzung eigener Anzuchtflächen und Saatbänke. »Unsere Strategie ist es, Kleinbauern durch den Ausbau von Saatbänken zu unterstützen, um einheimische Pflanzen zu ernten und Samen wiederzuentdecken. Außerdem erhalten sie die Möglichkeit, Saatgut zu tauschen oder zu verkaufen. So erreichen wir für die Kleinbauern eine geringere Abhängigkeit von genmodifiziertem Saatgut und sie werden somit unabhängiger«, so Mercia Andrews, Direktorin von TCOE.

Seit Ende 2010 unterstützt TCOE den Aufbau von Anzuchtflächen der vier Farmerinitiativen »Ilizwi Lamafama«, »Rural People's Movement«, »Makukhanye« und »Siyazakha« im Eastern Cape. Unterstützt wird TCOE dabei von SODI e.V. Die Aufgabe von TCOE liegt unter anderem darin »sicherzustellen, dass FarmerInnen die Möglichkeit bekommen, die notwendigen landwirtschaftlichen Kenntnisse zu erlernen«, wie Mercia Andrews ergänzt. Die Trainingsmaßnahmen dienen dazu, dass die Mitglieder der Initiativen die nachhaltige und ökologische Nutzung der Saatbänke erlernen. In den Kursen geht es um die Pflege, die Bewässerung, Bodenvorbereitung und das Pflanzen und Ernten von Setzlingen, den Aufbau von Komposteinrichtungen und Saatbänken. Im Anschluss geben die KursteilnehmerInnen das Erlernte an die anderen Mitglieder der Farmerinitiativen weiter.

Durch das Projekt wird nicht nur die eigenständige Nutzung der Anzuchtflächen und Saatbänke gefördert, sondern auch die Wiederbelebung und Nutzung traditioneller Gemüsesorten zum Erhalt der ökologischen Vielfalt. Neben »klassischen« Nutzpflanzen wie Kartoffeln werden vor allem traditionelle Nutzpflanzen wie Marotse Melon, Bizana Beans oder Golden Beauty Mais angebaut, gezüchtet und weitergegeben.

Mit dem Projekt wurde von den Farmerinitiativen, TCOE und SODI die erste Saat gelegt, um unabhängiger von der profitmaximierenden Agrarindustrie zu werden. Saatproduktion, Züchtung und Verteilung liegen in der Hand der FarmerInnen. Die Erfolge des Projektes zeigen, dass die eigene Saat aufgeht, wenn gemeinschaftsorientierte Initiativen handeln.

* Der Autor ist Projektmanager bei SODI e.V.

Aus: neues deutschland, Freitag, 19. Oktober 2012

Die Farmerinitiative »Ilizwi Lamafama« macht es vor

Seit letztem Jahr besitzt »Ilizwi Lamafama« in Nowawe eine eigene Saatbank und Anzuchtfläche. Nana Ester Matiki, Mitglied von »Ilizwi Lamafama«, ist verantwortlich für das Anzuchtbeet. Trotz ihres jungen Alters wurde sie von den Mitgliedern mit diesem Posten beauftragt.

Bereits kurz nach dem Anlegen der Saatbänke im September 2011 begannen die ersten Aktivitäten. Verschiedene Gemüsesamen wurden in Pflanzschalen ausgesät und nach der Keimung auf Anzuchtflächen ausgebracht. Nach weiteren drei bis vier Wochen wurden die Setzlinge an Mitglieder verkauft. Die Setzlinge kosteten im Durchschnitt 3,5 Cent, was einen fairen Preis darstellt. Die gesamten Einnahmen fließen auf das Bankkonto von »Ilizwi Lamafama« und dienen gemeinsamen Projekten oder der Aufrechterhaltung und dem Ausbau der Saatbänke. Nana Ester Matiki schrieb kürzlich, dass in diesem Jahr bereits ungefähr 17 000 Setzlinge gezogen und sowohl an die Mitglieder der Farmerinitiativen als auch an weitere Nachbarn der lokalen Gemeinschaften verkauft wurden. Somit profitieren nicht nur die Mitglieder der Farmerinitiativen von der Vielfalt der Setzlinge. Mittelfristig plant die Initiative sogar, bis zu 100 000 Setzlinge zu ziehen, um noch unabhängiger zu werden. Ein ambitioniertes Ziel.

Helfen Sie mit Ihrer Spende! Zur Durchführung dieses Projektes muss SODI einen Spendenanteil von 13 000 Euro erbringen, deshalb bitten wir um Ihre Unterstützung. Unser Partner TCOE hat neue Bildungs- und Informationsmaterialien in Englisch und isiXhosa entworfen. Diese sollen an alle 6000 Mitglieder der Farmerinitiativen verteilt werden. Für den Druck benötigen wir Ihre Unterstützung.

Kennwort: Südafrika
Solidaritätsdienst International e.V. (SODI)
Kontonummer: 10 20 100
Bank für Sozialwirtschaft, BLZ: 100 205 00




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