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Ringen um Kompromiß

Südafrika: Regierungsallianz verhandelt über Neuregelung von Leiharbeit

Von Christian Selz, Kapstadt *

Durchwachsene Aussichten für Südafrikas Leiharbeiter: Drei Wochen vor dem Programmparteitag des African National Congress (ANC) kommt Bewegung in eines der Hauptstreitthemen innerhalb der Regierungsallianz aus ANC, Kommunistischer Partei Südafrikas (SACP) und dem Gewerkschaftsdachverband COSATU. Waren die Positionen bisher verhärtet zwischen der COSATU-Forderung nach einem allumfassenden Verbot von Leiharbeit und einem sanften Reformvorschlag der ANC-Führung, könnte ein Vorschlag von SACP-Generalsekretär Blade Nzimande nun den Weg zum Kompromiß zeigen.

»Wir fordern, daß alle Unternehmen, die große Aufträge für Infrastrukturprojekte von der Regierung bekommen, keine Leiharbeitsagenturen benutzen dürfen und sich der Aus- und Weiterbildung von Arbeitern verpflichten müssen«, sagte Nzimande bei einer Rede vor dem Kongreß der Metallarbeiter-Gewerkschaft NUMSA in der Industrie- und Hafenstadt Durban. Von einem generellen Verbot von Leiharbeit, das auch die SACP bisher verlangt hatte, sprach er nicht. Die Postition von Nzimande, selbst Minister für Hochschulbildung in der ANC-geführten Regierung, geht dennoch weit über die Reformvorstellungen seines Bündnispartners hinaus. Der ANC-Entwurf will Leiharbeitsverhältnisse lediglich auf sechs Monate zeitlich begrenzen und das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit durchsetzen – bereits jetzt gibt es allerdings Bestrebungen der Industrieverbände, diese Punkte aufzuweichen. Zudem sollen nach dem ANC-Vorschlag Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten sowie Firmen, die nicht länger als zwei Jahre bestehen und weniger als 50 Arbeiter beschäftigen, von den Regelungen ausgenommen werden.

Die Gewerkschaften, die im März bei einem landesweiten Generalstreik Hunderttausende Südafrikaner für ein Leiharbeitsverbot auf die Straße brachten, fordern dagegen ein klares Verbot ohne Hintertürchen und Gesetzeslücken. »Leiharbeit ist der Handel mit Menschen als Ware«, stellte COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi während eines Pressebriefings am Vortag des Streiks klar. Die Praxis schaffe keine neuen Jobs, sondern ersetze lediglich bestehende feste Arbeitsplätze durch prekäre Anstellungen zu schlechteren Bedingungen. An der Position der Gewerkschaften hat sich seitdem nichts geändert, zumal die Zahlen Vavi recht geben. Die Zahl der Leiharbeitsfirmen hat sich seit dem Ende der Apartheid vervielfacht, auf knapp eine Million wird die Zahl der auf diese Weise prekär Beschäftigten inzwischen geschätzt. Das entspricht einem Anteil von 7,5 Prozent aller Südafrikaner in Arbeit. Den Gesamtanteil der prekären Arbeitsverhältnisse schätzt Vavi gar auf 30 Prozent.

Nzimandes Ausschlußforderung bei Staatsaufträgen könnte da ein bedeutender Lösungsvorschlag sein. Aufgrund der von Staatspräsident Zuma in seiner Rede an die Nation im Januar angekündigten milliardenschweren staatlichen Infrastrukturprogramme könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigten im Land haben. Eine Abkehr von der Verbotsforderung könnte allerdings auch das Bündnis der SACP mit COSATU aufweichen. Beide Organisationen konkurrieren im Jahr der wichtigen Personalentscheidungen innerhalb des ANC um Einfluß und Posten in der Regierungspartei. Nutzen würde eine solche Spaltung vor allem den Verfechtern des ANC-Vorschlags und den Arbeitsverleihern.

Bisher hat die Regierungspartei Nzimandes Forderung nicht kommentiert, aber angesichts der schweigsamen Grundhaltung der Partei zu programmatischen Fragen ist das vor dem alle fünf Jahre stattfindenden Programmparteitag Ende Juni auch nicht ungewöhnlich. Im Vergleich zur letzten derartigen Sitzung 2007 können die Leiharbeitsgegner in diesem Jahr allerdings mit einem gewichtigen Beispiel aus dem Nachbarland Namibia aufwarten – die dortige Regierung hat den Handel mit menschlicher Arbeitskraft 2008 grundsätzlich verboten und auch eine Verfassungsklage einer im Land aktiven südafrikanischen Leiharbeitsfirma erfolgreich abgewehrt. Die Praxis »schmeckt nach dem Mieten eines Sklaven durch seinen Sklavenhalter«, begründete der Oberste Gerichtshof in Windhuk sein Urteil.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 7. Juni 2012


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