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ANC streitet um die Führungsposten

Differenzen in Südafrikas Dreier-Allianz

Von Eric Singh *

Der Kampf um die Führung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) läuft auf vollen Touren – der Gewinner wird vermutlich auch nächster Präsident Südafrikas werden.

Die 52. Konferenz des südafrikanischen ANC verspricht, ein brisantes Ereignis zu werden. Wenn die Delegierten am 16. Dezember in der Universität von Polokwane (Provinz Limpopo) zusammenkommen, werden sie sich der Aufgabe gegenübersehen, nicht nur eine neue Führung der Organisation zu wählen, sondern damit zugleich eine Vorentscheidung über die Regierung zu treffen, die ab 2009 amtieren wird. In Südafrikas Parlament ist der ANC nach wie vor die mit Abstand stärkste Kraft.

Obwohl klare Favoriten nicht erkennbar sind, hat eine Reihe von Kandidaten ihren Anspruch auf eine Führungsposition im ANC bereits erklärt. Zu den Bewerbern gehören der amtierende südafrikanische Präsident Thabo Mbeki und sein früherer Stellvertreter Jacob Zuma. Der Dritte im Bunde ist der Multimilliardär und frühere Ministerpräsident der Provinz Gauteng Tokyo Sexwale.

Präsident Mbeki ist der Meinung, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Frau an der Staatsspitze Südafrikas stehen sollte. Er hat bereits den Namen seiner Stellvertreterin, Phumzile Mlambo Nguka, ins Spiel gebracht. Winnie Mandela dagegen schlägt die gegenwärtige Außenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma vor. Es heißt, Frau Mandela komme bei der Auswahl des nächsten Präsidenten eine Schlüsselrolle zu. Nach wie vor ist sie tief in der ANC-Mitgliedschaft verwurzelt und genießt hohe Anerkennung. Da der südafrikanische Präsident nur zwei Amtsperioden regieren kann, kandidiert Thabo Mbeki 2009 nicht mehr. Die Amtszeit für den ANC-Vorsitzenden ist dagegen nicht begrenzt. Wer auch immer den ANC führt, so jedoch die allgemeine Meinung, sollte auch an der Staatsspitze stehen.

Kürzlich wurde bekannt, dass es mit Cyril Ramaphosa einen weiteren Kandidaten für die ANC-Spitze gibt. Er wurde von Kadar Asmal vorgeschlagen, der selbst verschiedene Ministerposten im Kabinett Mandelas und Mbekis bekleidete. Angenommen wurde dieser Vorschlag auf der Wahlversammlung einer ANC-Basisgruppe in der Provinz Western Cape, in der auch einige Mitglieder der jetzigen Landesregierung vertreten sind. Die Kandidatur Ramaphosas fand bereits Zustimmung in anderen Landesteilen.

Cyrill Ramaphosa war zu Zeiten der Apartheid als Generalsekretär der schwarzen Bergarbeitergewerkschaft (NUM) erfolgreich im Kampf gegen die Minenbosse. Nachdem 1991 das ANC-Verbot aufgehoben worden war, wählte man ihn zum Generalsekretär des Nationalkongresses. Er war für den ANC führend an Gesprächen über die ersten demokratischen Wahlen 1994 beteiligt und leitete außerdem die parlamentarische Kommission für eine neue Verfassung Südafrikas. Gegenwärtig ist er einer der wenigen Schwarzen, die es auf eine Spitzenposition in der Wirtschaft geschafft haben.

Äußerst ungehalten über die Vorschläge der vom ANC geführten Regierung sind die Partner des Nationalkongresses in der Dreier-Allianz, der COSATU (Kongress der Südafrikanischen Gewerkschaften) und die SACP (Südafrikanische Kommunistische Partei). Beide votieren für Jacob Zuma, den sie als Verbündeten der Arbeiterklasse betrachten. In einer Rede im Juni auf der Landeskonferenz der Gewerkschaft für Bildung, Gesundheit und kleinere Gewerkschaftsgruppen äußerte sich COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi deutlich: »In der Zeit nach 1994 wurden die Allianz und der ANC selbst größtenteils in der Politik an den Rand gedrängt und zu Beobachtern reduziert. Der ANC muss die kollektive Führung auf allen Ebenen der Organisation zurückgewinnen. Macht muss in den Händen des Kollektivs und nicht bei einigen wenige Individuen verankert sein. Wenn der ANC eine Bewegung der Bourgeoisie wird, dann stirbt die Befreiungsbewegung, weil die Kapitalisten mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden sind, der ihnen Profite und lukrative Geschäfte beschert.«

Der Generalsekretär der SACP, Blade Nzimande, warnte davor, »schmutzige Erscheinungen« in der Politik zu erlauben, die Südafrika in eine Art autoritäres Simbabwe verwandeln könnten. »Wenn wir auf die einst so erfolgversprechende, aber jetzt fehlgeschlagene Revolution unseres Nachbarn Simbabwe blicken, so erkennen wir, dass alles damit begann, was wir jetzt sagen. Von da an lief es falsch. Die Simbabwer schwiegen, da sie meinten, es ist ja die Befreiungsbewegung, die eine glorreiche Schlacht geschlagen hat. Als die Menschen aufwachten, war es zu spät. Das dürfen wir hier nicht zulassen«, warnte Nzimande.

Tokyo Sexwale seinerseits glaubt fest, dass Südafrika sich keine zerstrittene Allianz leisten kann. »Ein COSATU, der glaubt, dass es ernsthafte Schwierigkeiten mit dem ANC gibt, nützt uns nichts.« Als Reaktion auf die Kritik an seiner ANC-Mitgliedschaft und der gleichzeitigen geschäftlichen Tätigkeit antwortete er, dass die Tiefe seiner Taschen nicht sein soziales Bewusstsein bestimmt.

* Aus Neues Deutschland, 6. November 2007


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