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Zwei Zocker um die Macht im ANC

Südafrikas Präsident Zuma wird auf Wahlkongress von seinem Vize Motlanthe herausgefordert

Von Odile Jolys, Johannesburg *

Auf dem Parteitag der südafrikanischen Regierungspartei ANC kommt es ab Sonntag zum offenen Machtkampf zwischen Präsident Jacob Zuma und seinem Vize Kgalema Motlanthe.

Während die Schüler schon Ferien haben, die Großstädter an die Strände strömen oder ihre Familie auf dem Land besuchen, treffen sich 4500 Delegierte des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), um ihren Parteivorsitzenden und damit den Kandidaten der Präsidentenwahl 2014 zu küren. Der 53. Wahlkongress tagt vom 16. bis 20. Dezember in der Stadtkreisgemeinde Mangaung, die Bloemfontein und umliegende Orte einschließt. Vor 100 Jahren wurde der ANC in Bloemfontein gegründet.

Obwohl der amtierende Präsident Jacob Zuma bislang als unumstrittener Kandidat galt, ist die Spannung groß. Denn es geht in der Konferenz nicht nur darum, einen neuen Vorsitzenden zu wählen, auch die Politik der Wahlperiode nach 2014 soll festgelegt werden. Wichtige Beschlüsse in Sachen Nationalisierung der Minen, der Landumverteilung und der Zukunft jener politischen Maßnahmen, die die in der Apartheid benachteiligten Bevölkerungsgruppen fördern sollen, werden dort gefasst.

Noch kann Zuma nicht ganz sicher sein. In der Tradition der Befreiungsbewegung kann die Parteitagsmehrheit einen anderen erwählen, den Vorsitz zu übernehmen. Ein weiterer Anwärter steht jetzt bereit: Kgalema Motlanthe. Motlanthe ist der Kandidat der Anti-Zuma-Fraktion. In dieser heterogenen Koalition findet man die Jugendliga des ANC, die Zuma den Rauswurf ihres charismatischen Vorsitzenden Julius Malema aus der Partei nicht verzeihen kann, sowie ein Teil des Gewerkschaftsdachverbandes Cosatu und viele andere Enttäuschte.

Eine ähnliche Koalition hatte 2007 in Polokwane für die Entmachtung Thabo Mbekis zu Gunsten Zumas gesorgt. Mbeki hatte auch wenige Monate danach das Amt des Staatspräsidenten räumen müssen und Motlanthe, damals schon Vizepräsident, hatte die Amtsgeschäfte übernommen.

Damals in Polokwane wie heute in Mangaung werden mehr Persönlichkeit und Führungsqualität des Präsidenten debattiert als politische Richtungsentscheidungen. Denn in der Wirtschaftspolitik besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen Motlanthe und Zuma. Zuma als amtierender Staatschef verlor im vergangenen Jahr an Sympathie in ANC und Bevölkerung. Grund ist die düstere Wirtschaftslage und eine Rekordarbeitslosigkeit. Auch wenn die Entwicklung in Südafrika stark durch die schleppende Weltwirtschaft und die Krise in der EU, dem wichtigsten Wirtschaftspartner Südafrikas, bestimmt wird, werfen viele Menschen der Regierung Südafrikas vor, unfähig zu sein, Reformen einzuleiten.

Insbesondere die Eskalation während des Streiks in einer der Platinminen von Marikana Mitte August, wo die Polizei 34 streikende Bergarbeiter erschoss, ist Sinnbild für die Unfähigkeit der Regierung, mit Krisen umzugehen.

Kritik entzündet sich vor allem an der Person Zuma selbst. Die Korruptionsvorwürfe, die mit seiner Wahl als Staatspräsident 2009 fallen gelassen wurden, sind nun wieder ans Licht gekommen. Die Wochenzeitung »Mail & Guardian« hat vergangene Woche einen Bericht, den Wirtschaftsprüfer für die Anklage im Falle eines Prozess gegen Zuma 2006 vorbereitet hatten, veröffentlicht. Es geht daraus hervor, das Zuma seinen aufwendigen Lebenswandel von Dritten, Geschäftsmännern und politischen Freunden wie Nelson Mandela, bezahlen lässt.

Für eine Erneuerung des ANC müsste sich das Fußvolk der Partei erheben, so der politische Analyst Adam Habib, für den sich der ANC in seiner Geschichte nur dann geändert hat, wenn der Druck in der Bevölkerung zu groß wurde.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 15. Dezember 2012


Der Kongreß tagt

Südafrika: ANC beginnt Wahlparteitag. Entscheidung über künftigen Vorsitzenden. Streit um Bodenschätze und Landreform

Von Christian Selz, Kapstadt **


Wenn der African National Congress (ANC) am Sonntag seinen fünftägigen Wahlparteitag eröffnet, geht es in Mangaung (früher Bloemfontein) vordergründig darum, wer die Partei in den nächsten fünf Jahren führt. Staatspräsident Jacob Zuma und sein Vize Kgalema Motlanthe sind die Kandidaten für den Parteivorsitz. Bei den stabilen Mehrheitsverhältnissen des ANC in Südafrika ist dieser nahezu automatisch mit der Wahl zum Staatspräsidenten bei den Parlamentswahlen 2014 verbunden. Doch in der Hauptstadt der Provinz Free State, wo Afrikas älteste Befreiungsbewegung vor genau hundert Jahren gegründet wurde, geht es auch inhaltlich um die Zukunft des Landes. 18 Jahre nach den ersten freien Wahlen kämpft der seitdem regierende ANC noch immer mit dem Erbe der Apartheid – aber zunehmend auch mit sich selbst.

Umstrittenstes Thema innerhalb der Partei ist die Verstaatlichung des Bergbausektors. Während die nationalistische ANC-Jugendliga eine umfassende Übernahme der Minen durch die Regierung fordert, hat der Programmparteitag sich bereits im Juni klar dagegen positioniert. Bergbauministerin Susan Shabangu ist eine ausgesprochene Gegnerin der Verstaatlichungen. Auch Zuma hat wiederholt versucht, durch die Versicherung, daß es keine Verstaatlichungen geben würde, Investoren zu beruhigen. Und selbst der von der Jugendliga präferierte Motlanthe hat sich bisher nicht für Nationalisierungen ausgesprochen.

Wahrscheinlicher ist daher eine Stärkung des neugegründeten staatlichen Bergbaukonzerns, der sich in die Förderung strategisch wichtiger Ressourcen einkaufen soll. Spannend bleibt, wie konkret die Schritte in diese Richtung werden und wie sehr die Regierung ihren Einfluß auf die Ausbeutung der weltweit mit Abstand größten Platinvorkommen geltend macht. Ein möglicher innerparteilicher Kompromiß könnte die bereits mehrfach auf die Tagesordnung gebrachte Sondersteuer für profitable Bergbaukonzerne sein. Die zusätzlichen Einnahmen passen zudem besser in das Konzept des nationalen Entwicklungsplans der Zuma-Regierung. Dieser sieht umfassende Infrastrukturprogramme und eine Stärkung der halbstaatlichen Monopolkonzerne zur Arbeitsplatzschaffung vor. Nach chinesischem Vorbild will Zuma Südafrika mit milliardenschweren Staatsinvestitionen im Straßen-, Schienen- und Hafenbau sowie in die Stromversorgung voranbringen. Eine kostspielige Verstaatlichung von Bergbaukonzernen dürfte daher schon am Budget scheitern.

Die Haushaltskassen könnten indessen von einem weiteren Kostenpunkt belastet werden: »Große Aufmerksamkeit« werde seine Partei »der Frage der Landumverteilung« widmen, kündigte ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe vor einer Woche in einem Artikel in der Sunday Times an. Der ANC hatte sich bereits auf seiner letzten Wahlkonferenz 2007 in Polokwane zugunsten einer radikaleren Landreform programmatisch vom Prinzip »williger Verkäufer – williger Käufer« verabschiedet. In der Folge hatte die Partei es aber trotz absoluter Mehrheit nicht geschafft, ein Gesetz zu formulieren, das einer bereits einberufenen Kommission die bindende preisliche Bewertung von Farmen bei Verkäufen gestattet. Die Regierung zahlt deshalb zu hohe Preise. Während die verkaufenden Farmer davon profitieren, fehlt für eine schnellere Umsetzung der Landreform und die nötigen Ausbildungs- und Förderprogramme für die neuen Eigner das Geld. Mantashe will den Prozeß nun beschleunigen. Dafür ist es auch höchste Zeit, wenn die Partei nicht erneut vorwiegend inhaltsleere Resolutionen verabschieden will.

** Aus: junge Welt, Samstag, 15. Dezember 2012


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