Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Machtkampf im ANC

Südafrikas Präsident Jacob Zuma kämpft mit allen Mitteln um Vorsitz in Regierungspartei

Von Christian Selz, Kapstadt *

Es sind empfindliche Niederlagen, die Jacob Zuma dieser Tage hinnehmen muß. Südafrikas Staatspräsident kämpft um seinen Verbleib an der Spitze des regierenden African National Congress (ANC), doch vor dem Wahlparteitag im Dezember regt sich Widerstand. Etliche wichtige Ortsverbände des ANC haben sich mittlerweile auf Vizepräsident Kgalema Motlanthe als Gegenkandidat festgelegt. Der 63jährige, der bereits als Interimspräsident nach der Entlassung von Zumas Erzfeind Thabo Mbeki das Land führte, gilt als moralische Gegeninstanz zum skandalumwitterten Zuma. Dem könnten vor allem seine Untätigkeit während der jüngsten Bergarbeiterstreiks und der Bau eines 20-Millionen-Euro-Palastes mit Staatsgeldern zum Verhängnis werden. Doch noch perlen die Vorwürfe an Zumas loyalem Machtapparat ab.

»Als Gesellschaftsführer muß er dringend verlorenes Vertrauen wiederherstellen«, begründet ein am Montag öffentlich gewordenes Positionspapier eines einflußreichen Johannesburger Ortsverbands die Nominierung Motlanthes. »Sonst enden wir in der gleichen politischen Sackgasse, in die alle afrikanischen Befreiungsbewegungen nach 20 Jahren an der Macht gegangen sind – oder verlieren 2014 gegen die Demokratische Allianz«.

Doch so deutlich die Warnungen inzwischen auch sind, das Lager der Zuma-Gegner hat ein Problem: Auch zwei Wochen vor Ende der Nominierungsfrist hat sich Motlanthe nicht offiziell als Herausforderer zur Verfügung gestellt. Der Hoffnungsträger präsentiert sich statt dessen als integrer Verfechter alter ANC-Traditionen. »Seine Position ist klar, politische Anführer müssen das Wahlrecht der Ortsverbände respektieren«, verweist Motlanthes Sprecher Thabo Masebe auf die offiziellen ANC-Statuten. Motlanthe pflegt ein Image des immer-bereiten Parteisoldaten alter Schule, der sich nicht aufdrängen, sondern nur der Organisation dienen will. Vor allem aber will er kein Lager um sich aufbauen und die Spaltung des ANC weiter vorantreiben, die er in seiner jüngst veröffentlichten Biografie stark kritisiert hatte.

Motlanthes Nicht-Kampagne ist die des edlen Retters, doch es bleibt die Frage, ob sie noch zeitgemäß ist. Als »grobe Fehlkalkulation« beschrieb sie der Journalist Makhudu Sefara in einem Kommentar für Independent online in der vergangenen Woche. Der »ANC, der sich so verhält«, sei »längst tot«.

Die aktuellen Nachrichten aus dem innerparteilichen Wahlkampf bestätigen diese Ansicht. Im Oktober mußte die Parteiführung plötzliche zweistellige Mitgliederzuwächse in Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal erklären, die seine Gegner schlicht als Geisterstimmen bezeichneten. In der Provinz Westkap beschweren sich Zuma-Gegner über den Ausschluß vom Wahlparteitag aufgrund von Formalitäten, im ganzen Land kommen immer wieder Mitgliedslisten und Protokolle abhanden und im Ortsverband des von Zuma geschassten Expolizeichefs Bheki Cele flogen während der Nominierungsdebatte am vergangenen Donnerstag gar die Fäuste. Der Kampf darum, welche Delegierten zum Wahlparteitag reisen, gilt als entscheidend im ANC-Machtkampf – politische Themen spielen dabei allerdings allerdings eine höchstens untergeordnete Rolle.

Zumas Unterstützer hoffen auf verstärkte Staatsinvestitionen und verweisen auf das brasilianische Modell unter Lula da Silva, der seine wichtigsten Reformen ja auch erst während seiner zweiten Amtszeit in die Wege geleitet habe.

Viele von Zumas Gegnern fordern die Verstaatlichung von Banken und Bergbau – auch wenn Motlanthe selbst dem bisher eher kritisch gegenüberstand. Genau da liegt auch das große Problem der Motlanthe-Unterstützer, die von der nach radikalen Land- und Wirtschaftsreformen schreienden Jugendliga bis zu kaltgestellten Parteigrößen der neoliberalen Mbeki-Ära reicht: Geeint sind sie lediglich durch die Ablehnung des System Zumas. Gegen den strategisch klugen Amtsinhaber, der sich mit widersprüchlichen Versprechungen und lukrativen Machtbeteiligungen die Unterstützung der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) und des Gewerkschaftsbundes COSATU gesichert hat, bleiben für den programmatisch blassen Motlanthe so allerdings nur Außenseiterchancen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 15. November 2012


Zurück zur Südafrika-Seite

Zurück zur Homepage