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Drei Tage Wahl

Sudan: Oppositionskräfte boykottieren Abstimmung

Von Simon Loidl *

In der kommenden Woche sind die Wahlberechtigten des Sudan dazu aufgerufen, über Parlament und Präsidentenamt abzustimmen. Von Montag bis Mittwoch werden die Wahllokale geöffnet sein. Präsident Omar Al-Baschir, der seit einem Putsch im Jahr 1989 in dem ostafrikanischen Land an der Macht und seit 1993 dessen Präsident ist, stellt sich als Vorsitzender der Nationalen Kongresspartei (NCP) erneut der Wiederwahl. Die größten Oppositionsparteien boykottieren die Abstimmung. Die 15 Kandidaten, die gegen Al-Baschir antreten, sind in der politischen Landschaft des Sudan weitgehend unbekannt. Beobachter schätzen deren Chancen als gering ein.

Die in dem Oppositionsbündnis »Sudan Call« vereinigten Parteien, die zum Boykott aufrufen, werfen Al-Baschir vor, alle Ansätze einer Demokratisierung der vergangenen Jahre zunichte gemacht zu haben. Die drängenden Probleme des Landes könnten aber nur durch eine Verständigung erreicht werden. »Sudan Call« ist ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen, darunter die größte Oppositionspartei National Umma Party. Das Bündnis wurde im vergangenen Dezember in Addis Abeba geschlossen. In seinem Gründungsdokument wurde als Ziel genannt, das »Einparteiensystem« des Landes aufzulösen und durch einen Staat zu ersetzen, der auf der Gleichberechtigung aller Bürger beruht.

Das Bündnis war eine Antwort auf die Initiative eines »nationalen Dialogs« Al-Baschirs Anfang 2014. Mit dieser hatte der Präsident auf zunehmende Unmutsäußerungen der Bevölkerung reagiert. Immer wieder war es in den vergangenen Jahren zu Protesten gekommen, auf die der Staat mit Repression geantwortet hatte. Oppositionskräfte warfen dem Präsidenten vor, mit dem »nationalen Dialog« lediglich seine eigene Position festigen zu wollen.

Tatsächlich ist es Al-Baschir in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die zentralen Probleme des Landes zu lösen. Nach wie vor gibt es in mehreren Regionen bürgerkriegsähnliche Zustände, auch das Verhältnis zu dem im Juli 2011 abgespaltenen Südsudan ist weiterhin angespannt. Durch die Sezession und die damit verbundenen Auseinandersetzungen um die Öleinnahmen erlitten beide Länder erhebliche ökonomische Einbußen. Das führte zu Teuerungen, die in Sudan Unruhen auslösten.

In Darfur kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der Armee und bewaffneten Gruppen, ebenso in den südlichen Provinzen des Landes. Für die Region Südkordofan hat die Nationale Wahlkommission bereits eine Verschiebung der Abstimmung angekündigt. In sieben Wahlbezirken sei es aus Sicherheitsgründen unmöglich, diese durchzuführen, hieß es laut Medienberichten.

Die in Südkordofan aktiven Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungsfront-Nord (SPLM-N) hatten zuvor gemeldet, dass sie ein Auto mit Wahlurnen überfallen haben. Die Gruppe rief zum Boykott der Abstimmung auf und drohte mit weiteren Störungen.

Westliche Politiker, die den seit 2008 per internationalem Haftbefehl gesuchten Al-Baschir ohnehin gern vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag sehen würden, kritisierten die Wahl, bevor diese begonnen hat. Die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Federica Mogherini, sagte in einer Mitteilung in der vergangenen Woche, dass die Abstimmung kein »glaubwürdiges« Ergebnis bringen könne. Die EU würde die Wahlen deshalb nicht unterstützen.

Die Anklage des IStGH wirft Al-Baschir Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Zusammenhang mit dem Darfur-Konflikt. Ein Jahr nachdem der Haftbefehl ausgestellt wurde, rief die Afrikanische Union (AU) ihre Mitglieder dazu auf, diesen zu ignorieren. Vertreter der AU sprachen wiederholt davon, dass es sich beim IStGH um ein gegen Afrika gerichtetes Instrument westlicher Mächte handle. Im Gegensatz zu westlichen Institutionen schickt die AU auch Wahlbeobachter nach Sudan.

* Aus: junge Welt, Montag, 13. April 2015


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