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"Das Misstrauen in Khartum ist berechtigt"

Evangelikale Rechtsgruppen beeinflussen Washingtons Politik gegenüber Sudans Regierung. Interview mit Helmut Strizek *

Nach UNO-Angaben sind durch eine neuerliche Verschärfung der Gewalt seit Dezember im Süden der Region Darfur in Sudan weitere 110.000 Menschen vertrieben worden. Der Westen übt unterdessen weiter Druck auf Sudans Präsidenten Omar Hasan al-Bashir aus, um dessen Zustimmung zur Stationierung einer gemischten Truppe aus UNO-Blauhelmen und Soldaten der Afrikanischen Union (AU) in der Krisenregion zu erhalten.



Sie haben die Politik der USA in Afrika untersucht. Offensichtlich gibt es komplexere Gründe für die Regierung Sudans, sich einem UN-Einsatz in Darfur zu verschließen, als zumeist in der Berichterstattung dargestellt. Wie erklären Sie die beharrliche Ablehnung eines westlichen Truppeneinsatz durch Präsident al-Bashir?

Dies geht auf die Amtszeit von USA-Präsident Clinton und Außenministerin Albright zurück; sie hatten mit allen Mitteln auf einen Regimewechsel in Khartum hingearbeitet. Hierfür betrieben sie eine bedenkenlose Unterstützung der Rebellen des Südens wie auch benachbarter Militärregime. Sofort nach seiner Amtsübernahme 2001 änderte Bush jun. mit Rücksicht auf amerikanische Ölinteressen die Politik der Konfrontation gegenüber Khartum und setzte nach dem 11. September 2001 erfolgreich auf eine Zusammenarbeit mit der Khartum-Regierung. Das führte dann zur Vermittlung des Friedensvertrages mit Südsudan.
Aber der »Clinton-Clan« ließ nicht locker. Er konnte Bush im Gegenzug für die Unterstützung von dessen Irak-Krieg zu einer Änderung der amerikanischen Khartum-Politik bewegen. Die Senatorin Hillary Clinton hat ja demonstrativ dem Irak-Krieg zugestimmt, wie auch Frau Albright. Clinton und Co. ließen sich vor den Karren evangelikaler Kreise in den USA und in England spannen, die mit Rebellengruppen in der Provinz Darfur sympathisierten.

Welches sind die Hintergründe des Darfur-Konflikts?

Der Darfur-Konflikt begann 2003, als diese Rebellengruppen 685 Polizisten Sudans ermordeten und Khartum zu harten Gegenschlägen durch verbündete Kamelreitermilizen provozierten. Große Flüchtlingsbewegungen in Richtung Tschad mit all ihrem Elend waren die Folge. Die Rebellen wollen mit Waffengewalt ein größeres Stück vom »nationalen Kuchen« erobern. Die Durchsetzung ihrer Forderungen würde aber faktisch den Zerfall Sudans bewirken. Das sehr heterogene Rebellenbündnis hat seither mehrheitlich alle Friedensbemühungen sabotiert. Die westliche Duldung, wenn nicht gar Unterstützung der Rebellen zwang al-Bashir, auf Distanz zum gesamten Westen zu gehen, vor allem als der Sudan-Beauftragte des UN-Generalsekretärs, Jan Pronk – schon immer ein Anhänger der Albright-Politik – mehr oder weniger offen Position für die Sudan- Rebellen ergriff. Die Situation wurde noch verschärft, als Pronk, der bis vor kurzem im Amt war, auch noch dafür sorgte, dass im Rahmen einer »Friedenstruppe« der AU 2000 ruandische Soldaten, die treuesten aller treuen »Clintonianer«, nach Darfur entsandt wurden.

Welche Interessen hat die Clinton-Albright-Gruppe heute an einer Destabilisierung Sudans?

Clinton hing stark von der Unterstützung durch evangelikale Rechtsgruppen ab, die sich im Prayer-Breakfast-Network organisiert haben. Und diese Gruppen träumen auch heute noch von einem Regimewechsel in Khartum, bei dem christlich-animistische Bevölkerungsteile einen selbstständigen Staat Südsudan und eine Abtrennung Darfurs durchsetzen könnten. Bush ist nach wie vor für seine Irak-Politik auf die Unterstützung dieser Gruppen angewiesen und musste deshalb in seiner Sudan-Politik Konzessionen an sie machen. Diesen westlichen Verfechtern eines Regimewechsels in Khartum gelingt es bis heute, die Verantwortung für das Flüchtlingselend ausschließlich der Regierung in Khartum zuzuschieben und eine Berichterstattung über die Aktionen der Rebellen zu marginalisieren.

Weshalb lehnt aber al-Bashir eine UN-Mission in Darfur ab – belegt diese nicht das Friedensinteresse des Westens?

Da al-Bashir derzeit befürchten muss, dass UNO-Blauhelme Darfur-Separatisten decken, ist sein Misstrauen gerechtfertigt. Entstünde aus der Provinz Darfur ein eigener Staat, wäre der Zerfall Sudans vorgezeichnet. Wie sollte ein UN-Mandat in der Region aussehen? Der neue UNO-Generalsekretär hat die Chance, zusammen mit China, das sich ja wirtschaftlich sehr in Sudan engagiert hat, ein Mandat zu entwickeln, das den Frieden und nicht die weitere Unterstützung der verantwortungslosen Rebellen zum Ziel hat. Einem solchen, gänzlich neutralen Mandat könnte Khartum dann auch zustimmen. In einem solchen Zusammenhang könnte ich mir auch deutsche Blauhelme vorstellen.



Interview: Birgit von Criegern

* Helmut Strizek arbeitete von 1974 bis 2004 im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, war mehrere Jahre in Ruanda tätig und forscht seit 1992 zu Zentral- und Ostafrika. Zur Geschichte der deutschen Kolonialherrschaft in Afrika erschien 2006 im Ch.-Links-Verlag sein Buch "Geschenkte Kolonien - Ruanda und Burundi unter deutscher Herschaft".

Aus: Neues Deutschland, 26. Februar 2007



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