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Verhandlungsboykott

Darfur-Rebellen lassen UN sitzen

Von Gerd Schumann *

Sie existiert nicht, und doch wird sie andauernd zitiert, die »internationale Gemeinschaft«. Immer dann, wenn der imperialistische Westen mit seinem großen Bruder aus Washington an der Spitze die wirklichen Gründe für seine aggressive Politik verschleiern will, beruft er sich auf eine Art Weltkommune, globale Wächterin über Tugend und Moral, Verteidigerin der Menschenrechte und Kämpferin gegen das Böse. Wo dieses sein Haupt erhebt, kriegt es Saures: Schläge für Jugoslawien, Afghanistan, Irak; Ächtung für Teheran, Khartum, Damaskus; beides für Hamas und Hisbollah.

Manchmal, wenn auch selten und dann erst nach langem Tauziehen, setzt sie ihre Interessen sogar im kleinen, 15köpfigen UN-Sicherheitsrat durch. Wie am Dienstag vergangener Woche, als sie sich – trotz anhaltendem chinesischen Gemurre und nach bald einjährigem Druck auf weitere Opponenten – letztlich einstimmig einen hochgerüsteten Waffengang von annähernd 26000 Blaubehelmten mit Ziel Darfur bewilligen ließ. Lange hatte sie dafür geworben, halb Hollywood als Propagandisten für eine Intervention mobilisiert, und viereinhalb Jahre hindurch allein »arabische Reitermilizen« für Gewalt und Elend in der sudanesischen Westprovinz verantwortlich gemacht. Und Hintergründe der Darfur-Misere ausgeklammert. Die anhaltenden Verteilungskämpfe zwischen Nomaden und Bauern um die knapper werden Ressourcen Wasser und Boden; die Überfälle durch vom Ausland gesponserte Darfur-Rebellen seit Februar 2003 – all das blieb ungenannt.

Der Westen selbst hatte die Rebellion dadurch befördert, daß er Darfur als absehbare Problemprovinz in die Friedensverhandlungen zum Südsudan nicht einbezog. Das mußte für ölinteressierte Kreise als Aufforderung zur moralischen, materiellen und waffentechnologische Unterstützung der Rebellengruppen wirken.

Bei Darfur-Verhandlungen 2006 im nigerianischen Abuja dann meldete die »Gemeinschaft« mit den USA als hilfloser »Vermittlerin« Konkurs an. Sie vermochte es offenbar nicht, den übergroßen Teil der Rebellen zur einem Darfur-Friedensabkommen zu bewegen. Abstieg einer Supermacht oder gewollte Ohnmacht? Die Aufständischen spalteten sich derweil auf, verbreiteten weiter Angst und Schrecken im Darfur und nun auch dem benachbarten Ost-Tschad. Indes die USA den Terror zum »Völkermord« erklärten – und den Sudan zum Sündenbock.

Und jetzt Arusha/Tansania: Dort sollten am Freitag abend dreitägige Verhandlungen der diversen Darfur-Rebellentruppen beginnen, damit diese sich verständigen können auf eventuelle Gemeinsamkeiten und also Verhandlungspositionen zur Lösung des Problems. Diesmal erschien mit der SLA (Sudan-Befreiungsarmee) die wichtigste Gruppe gar nicht erst und ließ die gewichtigen Einlader, UNO und Afrikanische Union, sitzen.

Demnächst sollen die Protagonisten des Westens im Kampf gegen den »Schurkenstaat« Sudan blau­behelmte Verstärkung erhalten. An der Spitze der »internationalen Gemeinschaft«: der große Bruder aus Washington.

Aus: junge Welt, 7. August 2007


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