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"Friedhof der Invasoren"

Regierung Sudans will keine UNO-Truppen in Krisenregion Darfur

Von Anton Holberg *

Sollte er je ein lokaler Vorgang gewesen sein, dann hat sich der Konflikt um die westsudanesische Region Darfur inzwischen längst zu einer zumindest regionalen Auseinandersetzung mit internationalen Interessen im Hintergrund entwickelt.


Der Konflikt in Darfur, wo politische Kräfte seit Jahren zu Recht die Vernachlässigung der Westregion Sudans durch die Zentralregierung beklagt hatten, hat zu rund 200 000 Toten und drei Millionen Vertriebenen geführt, seit diese Kräfte, ermutigt vom Erfolg der südsudanesischen SPLA, vor drei Jahren den bewaffneten Kampf aufgenommen haben.

Ein nicht zuletzt auch durch starken Druck der USA auf die Rebellen zustande gekommenes Friedensabkommen vom Mai 2006 hat zumindest im nördlichen Teil der Region keineswegs zu einer Entspannung der Lage geführt, sondern eher zu einer neuen Front zwischen den Kräften der Rebellion, die das Abkommen unterzeichnet hatten, und denen, die sich weigerten.

Der Kommandant der Waffenstillstandskommission der Afrikanischen Union (AU) betonte allerdings am 12. November in seinem Bericht vor der Darfur Peace Agreement Joint Commission in Addis Abeba, dass sich die Lage in den meisten Teilen Darfurs verbessert habe. Diese Tatsache und das Abkommen vom Mai deuten darauf hin, dass die von interessierten Kreisen stets bemühte Interpretation, bei dem Konflikt gehe es im Kern um einen zwischen »Arabern« und »Schwarzafrikanern«, zumindest sehr oberflächlich ist. Dennoch sprach das USA-Außenministerium am 17. November erneut von einem »Völkermord«, der an vorderer Stelle der internationalen Interessen der USA stehe.

Während sich die Lage andernorts offenbar stabilisiert hat, betonte der UNO-Untergeneralsekretär für Menschenrechtsfragen, Jan Egeland, nach seinem vierten Besuch in West-Darfur, er habe noch nie eine so schlechte Sicherheitslage erlebt. Es gebe zu viele bewaffnete Elemente, die die Flüchtlinge in ihren Lagern bedrohten. Zu diesen Elementen zählen neben kriminellen Banden offensichtlich zum einen die unter dem Namen Janjaweed bekannten und berüchtigten »arabischen Reitermilizen«, die zu entwaffnen die sudanesische Regierung schon mehrfach zugesagt hat. Andere sehen sie als Hilfstruppen eben dieser Regierung und ihrer Armee. Aber auch die Rebellenbewegung der islamistischen JEM gehört zu diesen Kräften. Die JEM stützt sich im Wesentlichen auf das Volk der Zaghaoua, das auch die Hausmacht der Déby-Regierung im benachbarten Tschad stellt.

Der Generalsekretär der JEM gab vor einiger Zeit die intensive wechselseitige Unterstützung durch und für die tschadische Regierung zu. Dagegen interpretiert Tschads Präsident Idriss Déby die bewaffnete Opposition gegen sein Regime als Werkzeug sudanesischer Destabilisierung. Er rief zu einer antisudanesischen Front zusammen mit der Zentralafrikanischen Republik auf, wo Rebellen im Nordosten ebenfalls auf dem Vormarsch sind. Déby selbst hat übrigens 1990, von Sudan kommend, die Regierung in N’Djaména mit Waffengewalt gestürzt.

Auf die sudanesische Regierung wird seit geraumer Zeit Druck von Seiten eines Teils der Staatengemeinschaft ausgeübt, die schlecht ausgerüsteten Friedenstruppen der AU in Darfur durch ein NATO-gestütztes UNO-Heer zu ersetzen. Am 16. November meinte UNO-Generalsekretär Kofi Annan, endlich zumindest einen Teilerfolg melden zu können. Khartum sei nun mit UNO und AU übereingekommen, UNO-Friedenstruppen an der Seite der nur 7000 Mann starken AU-Mission nach Darfur zu lassen. Diese UNO-Truppen sollten sich allerdings vornehmlich aus afrikanischen Soldaten rekrutieren. Es dauerte nicht lange, bis Sudan diese Hoffnung zerstörte. Präsident Ahmad al-Baschir betonte, dass Sudan finanzielle und technische Hilfe der UNO für die AU-Mission begrüße. Sein Außenminister, Lam Akol, am Namen klar als »Schwarzafrikaner« zu erkennen, konkretisierte, dass es keine gemischten Streitkraft im Darfur geben werde, und Verteidigungsminister Abdel Rahim Mohamed Hussein sagte, Darfur werde zum »Friedhof der Invasoren« werden, wenn dorthin UNO-Truppen geschickt würden.

* Aus: Neues Deutschland, 22. November 2006


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