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"Speerspitze im Kampf um Demokratie"

Sudan: Frauen überall dort, wo protestiert wird. Staat reagiert mit Festnahmen und Repressalien

Von Reem Abbas, IPS *

Im Sudan nimmt die Regierung in dem Bemühen, kritische Stimmen mundtot zu machen, zunehmend auch Frauen ins Visier. Die Anwältin Asma Ahmed, Mitglied der verbotenen Sudanesischen Volksbefreiungsfront – Nord (SPLM–N), kam am 14. Juni nach fünf Wochen Haft auf freien Fuß. Ihrer Meinung nach geht die Regierung verstärkt gegen Frauen vor, weil deren politisches und soziales Engagement zunimmt. Sie selbst wurde vom Nationalen Geheimdienst (NISS) zu einem Verhör in der Hauptstadt Khartum vorgeladen und direkt danach inhaftiert. Die SPLM–N war 2011 verboten worden, nachdem sie sich gegen die Regierungstruppen in den Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blauer Nil erhoben hatte.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) kritisiert, das Nationale Sicherheitsgesetz von 2010 statte Polizei und Militär mit weitreichenden Vollmachten aus. Folter und andere Mißhandlungen seien nach wie vor verbreitet. Als bisheriger Höhepunkt staatlicher Einschüchterungstaktik gilt die Jagd auf die Oppositionspolitikerin Entisar Al-Agali. Sie war am 7. Januar bei ihrer Rückkehr von einem Treffen in Uganda von einem NISS-Fahrzeug verfolgt und schließlich gerammt worden. Die Politikerin hatte in der ugandischen Hauptstadt Kampala an dem Treffen teilgenommen, auf dem die »Charta für den Neubeginn« verfaßt und von sudanesischen Oppositionsparteien, Rebellen- und zivilgesellschaftlichen Gruppen des Landes am 6. Januar unterzeichnet wurde. Das Papier beinhaltet Strategien, um die sudanesische Regierung zu Fall zu bringen und dem Land eine Übergangsregierung zu geben. »Ich brachte 87 Tage im Omdurman-Frauengefängnis zu, davon 75 Tage in Isolationshaft«, berichtet Al-Agali, ein führendes Mitglied der oppositionellen Socialist Unionist Nasserist Party.

Bereits im November 2012 wurden 34 mutmaßliche Mitglieder der SPLM–N in Kadugli, der Hauptstadt des umkämpften Bundesstaates Süd-Kordofan, festgenommen. Am 26. April kamen 14 wieder frei, unter ihnen Khadija Mohamed Badr. »Sie ist schwer verletzt, sie hat sich bei einem Sturz im Gefängnis zwei Rückenwirbel gebrochen. Für die medizinische Behandlung muß sie selbst aufkommen«, sagte ein Aktivist gegenüber IPS. Er sammelt derzeit Spenden für ihre Behandlung.

Ein weiterer Fall ist der der Lehrerin und Menschenrechtsaktivistin Jalila Khamis. Sie war im März 2012 im Zusammenhang mit einem Video über den Krieg in den Nuba-Bergen in Süd-Kordofan festgenommen worden. Khamis drohte zunächst lebenslange Haft. Sie wurde im Januar jedoch nach einem langen Verfahren freigelassen. »Ich mußte mich langen Verhören stellen«, berichtete sie gegenüber IPS. »Doch am schlimmsten war für mich, als man damit drohte, meinen Sohn zu töten.«

Laut Fatima Ghazzali, Journalistin bei der Zeitung Al-Jareeda, bilden Frauen die »Speerspitze im Kampf um Demokratie und Freiheiten« im Sudan. »Frauen stellen die Mehrheit der Vertriebenen in diesem Land. Sie sind die Hauptleidtragenden des Krieges. Deshalb überrascht es mich nicht, daß sie besonders an demokratischen Verhältnissen im Sudan interessiert sind«, so Ghazzali. Die Polizei habe bereits darauf hingewiesen hat, daß Frauen überall dort anzutreffen seien, wo protestiert werde, berichtete Ghazzali, die selbst 2011 im Gefängnis saß, weil sie über die Gruppenvergewaltigung einer Gefangenen geschrieben hatte.

* Aus: junge Welt, Freitag, 19. Juli 2013


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