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Verluste trotz Exporthochs

Geringe Produktivität beim wichtigen Devisenbringer Sri Lankas: Teebranche steckt in der Krise. Beschäftigte fordern mehr Lohn

Von Thomas Berger *

Arbeitsniederlegungen und gewaltsamen Begegnungen zwischen Protestierenden und der Polizei: In den ersten vier Monaten kam es auf Sri Lankas Teeplantagen zu verschärften sozialen Auseinandersetzungen. Die Beschäftigten, zum großen Teil Frauen, fordern eine deutliche Erhöhung ihres gegenwärtig bei durchschnittlich 450 Rupien (gut drei Euro) liegenden Tageslohns. Zwar haben die Plantagenbesitzer Entgegenkommen signalisiert – verweisen aber auf eine dringend notwendige Erhöhung der Produktivität. Eine weitere Steigerung der Vorgaben für die Beschäftigten lehnen die Gewerkschaften allerdings ab.

Der Inselstaat ist weltberühmt für seinen Teeanbau. »Ceylon Tea« (benannt nach dem alten Kolonialnamen des Landes) ist eine Herkunftsbezeichnung, die rund um den Globus gefragt ist. Die Teeblätter sind eines der wichtigsten Exportprodukte des südasiatischen Landes und ein notwendiger Devisenbringer. Doch so sehr Gewerkschafter und Plantagenbetreiber im Clinch liegen, in einem sind sie sich weitgehend einig: Sri Lankas Teebranche steckt in der Krise. Die Gewinnmargen sind stark geschrumpft und ein ganzer Reigen verschiedener Umstände macht jenen, deren wirtschaftliche Existenz an dem traditionellen Exportgut hängt, seit geraumer Zeit das Leben schwer. Vom Kaffee zum Tee

Noch im frühen 19. Jahrhundert war Sri Lanka weltgrößter Kaffeeproduzent. Das änderte sich, als ein Schädling einen Großteil der Kulturen vernichtete – und zugleich 1841 von China aus die erste Teepflanze in der damaligen britischen Kolonie eingeführt wurde. Schnell entwickelte sich aus dem Gewächs eine Industrie, die über viele Jahrzehnte zu den Stützen der einheimischen Wirtschaft zählte.

Die vergleichsweise geringe Produktivität in Sri Lanka ist ein altbekanntes Problem. Die Böden auf der Insel, in deren zentralem Hochland sich der Anbau des »grünen Goldes« konzentriert, sind weniger ertragreich als die in indischen oder afrikanischen Gebieten. Entsprechend niedriger sind darum die Mengen, die die Pflückerinnen durchschnittlich pro Tag einbringen. Die Nenngröße, auf der die aktuellen Löhne basieren, liegt bei 18 Kilogramm. Das sind lediglich zwei Drittel im Vergleich zu den 27 Kilo, die im südlichen Indien üblich sind. Markanter noch ist der Unterschied zu den 48 Kilogramm, die Erntearbeiter in Kenia erreichen. Weil die Löhne in Sri Lanka etwa doppelt so hoch wie in den anderen beiden Anbaugebieten sind, hat Ceylon Tea im Preiskampf auf dem Weltmarkt einen schlechteren Stand. Hinzu kommt, dass traditionell ein Großteil der srilankischen Teeausfuhren in den Nahen Osten geht, wo die aktuellen kriegerischen Konflikte gerade in den zurückliegenden zwei bis drei Jahren die Nachfrage sinken ließen. Ähnlich negativ sieht es mit Russland als Abnehmer aus.

Probleme bei Aufwand und Nutzen

»Was wir brauchen, ist eine Erhöhung der Produktivität«, bekräftigte Roshan Rajadurai, Chef des Anbauverbandes (PA), der Dachorganisation der größeren Plantagenbesitzer. Seit der zweiten Jahreshälfte 2014 fahren die Firmen beim Verkauf an der Teebörse im Durchschnitt 30 Rupien (knapp 20 Cent) Verlust pro Kilo ein. In der Gesamtbilanz 2014 führte das zu deutlichen Einbußen. Und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Experten haben errechnet, dass Sri Lanka beim Grundertrag unter den asiatischen Anbauländern im Mittelfeld rangiert. 1.615 Kilogramm pro Hektar werden gepflückt; weniger als die 1.663 Kilo, auf die Indien durchschnittlich kommt, aber mehr als in Vietnam (1.548), Indonesien (1.115) oder Bangladesch (1.108). Dies relativiert sich, wenn der Blick auf die 2.477 Kilo pro Hektar fällt, mit denen Kenia wegen guter Böden punkten kann.

Weil sich an dieser natürlich bedingten Situation wenig ändern lässt und außerdem die Lohnkosten in Sri Lanka etwa 70 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen, verschärft sich das Tauziehen um jede Einkommenserhöhung für die Pflückerinnen, die in mindestens drei größeren Gewerkschaften organisiert sind. Diese erkennen zwar die wirtschaftlich schwierige Lage der Betriebe an, wollen von ihren Forderung aber nicht abrücken. Schließlich sind die Lebenshaltungskosten in jüngerer Vergangenheit stark gestiegen. Soziales Minimum

Beschäftigte auf den großen Plantagen genießen laut Rahmenvereinbarung von Unternehmen und Gewerkschaften 300 Tage pro Jahr gesichertes Einkommen bei 17 Tagen Urlaub, dazu freie Unterbringung auf dem Betriebsgelände und medizinische Versorgung. Manche Firmen unterhalten darüberhinaus eigene Schulen und Betreuungsprojekte für jüngere Kinder. Das sind für die 250.000 in diesem Bereich Beschäftigen, von deren Einkommen etwa 750.000 weitere Menschen abhängen, oft bessere Bedingungen als die, unter denen die knapp 400.000 Kleinbauern arbeiten. Dabei erbringen letztere etwa drei Viertel des Branchenaufkommens.

Das bebaute Land haben die Betriebe übrigens nur gepachtet. Nach der Unabhängigkeit 1948 blieb der Teeanbau zunächst in britischer Hand und wurde später nationalisiert. In den 1990er Jahren kam es zu einer Privatisierungswelle. Die gegenwärtigen Pachtkonzessionen laufen noch bis 2045.

Untergangsszenarien für die Branche sind jedoch übertrieben. Das zeigen die nach wie vor wachsenden Absatzzahlen. 2013 wurde beim Erlös erstmals die 1,5-Milliarden-Dollar-Marke überschritten, 2014 war mit Exporten von 327,8 Millionen Kilogramm im Wert von 1,64 Milliarden US-Dollar sogar ein Rekordjahr. Doch das Produktivitätsproblem bleibt.

Jetzt wird über eine Diversifizierung nachgedacht. Statt Tee im losen Zustand anzubieten (noch immer 41 Prozent der Verkäufe erfolgen auf dieser Basis), solle Sri Lanka mehr auf Exporte in Form hochwertiger Teebeutel in die EU-Staaten, die USA, Kanada, Malaysia, Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate setzen, empfahl Malik Fernando, Chef einer Großplantage, bereits vor Monaten auf einem Branchenforum.

* Aus: junge Welt, Montag, 11. Mai 2015


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