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Möglicher Machtwechsel

Die Opposition gegen den amtierenden Präsidenten in Sri Lanka wächst vor Wahl am Donnerstag. Aussichtsreicher Gegenkandidat nominiert

Von Thomas Berger *

Knapp kann es werden für den Amtsinhaber Mahinda Rajapaksa bei der am Donnerstag stattfindenden Präsidentschaftswahl in Sri Lanka. Unmittelbar vor dem Jahreswechsel haben sich die wichtigsten Gruppierungen der muslimischen Minderheit von ihm losgesagt. Sri Lanka Muslim Congress und All Ceylon Muslim Congress schieden offiziell aus dem bisherigen Regierungsbündnis aus. Der Schritt war keine Überraschung, nach einer wachsenden Zahl von Übergriffen auf Muslime und Moscheen in der jüngeren Vergangenheit. Die Parteien werfen der Regierung mangelnden Schutz vor Attacken aus der buddhistischen singhalesischen Bevölkerungsmehrheit vor.

Unter den Minderheiten, die zusammen rund 30 Prozent der Wählerschaft ausmachen, dürfte Rajapaksa nur wenige Stimmen holen. In den letzten Dezembertagen hat sich auch die Tamilische Nationalallianz (TNA) hinter seinen Kontrahenten Maithripala Sirisena gestellt. Es gelte, eine drohende Diktatur unter dem gegenwärtigen Präsidenten zu verhindern, verkündeten die Anführer der in der TNA zusammengeschlossenen größten Tamilenparteien. Ein Vorwurf, der seitens vieler Kritiker des Amtsinhabers erhoben wird. Rajapaksa steht inzwischen seit knapp einem Jahrzehnt an der Spitze des Staates und hätte laut Gesetz kein weiteres Mal kandidieren dürfen. Doch kurz nach der Wahl 2010 wurde mit einer Verfassungsänderung der Weg für eine dritte Amtszeit geebnet. Außerdem hat er mehrere seiner Brüder in Schlüsselpositionen der Regierung untergebracht. Sirisena hat deswegen im Fall des Wahlsieges angekündigt, binnen 100 Tagen das Präsidentenamt wieder auf seine repräsentative Funktion zurückzustutzen.

Rajapaksa verfügt vor allem in der südlichen Hälfte des Inselstaates noch immer über starken Rückhalt. Außerdem halten ihm neben seiner sozialliberalen Freiheitspartei auch weiterhin die Kommunisten, die sozialistische Lanka Sama Samaja Party und der Ceylon Workers Congress die Treue. Doch mit der Abkehr der Mönchspartei Jathika Hela Urumaya (JHU) hat das Regierungsbündnis einen wichtigen Partner verloren. Die JHU ist ein Beispiel für das Erstarken nationalistischer Tendenzen in der singhalesischen Bevölkerung. Die Partei wird nun Sirisena unterstützen.

Der aussichtsreiche Gegenkandidat saß noch bis vor zwei Monaten als Gesundheitsminister im Kabinett. Sein öffentlichkeitswirksamer Ausstieg eröffnete dem zuvor recht zersplitterten Anti-Rajapaksa-Lager die Möglichkeit, Sirisena in Stellung zu bringen. Dessen Rückhalt wächst unterdessen in weiten Teil der Bevölkerung. Sowohl Expremier Ranil Wickremasinghe von der größten Oppositionspartei Vereinigte Nationalpartei als auch der frühere Armeechef Sarath Fonseka, der 2010 noch mit einem beachtlichen Ergebnis dem Amtsinhaber unterlegen war, verzichten auf eigene Kandidaturen. Außerdem kann sich Sirisena der Unterstützung weiterer Minister, Vizeminister und Abgeordneter, die das Regierungslager verlassen haben, sicher sein.

Auch kann er sich zugute halten, mit der finalen Militäroffensive im Frühjahr 2009 den ein Vierteljahrhundert währenden Bürgerkrieg mit den tamilischen Rebellen beendet zu haben. Die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) hatten seit 1983 für einen eigenen Tamilenstaat im Norden und Osten der Insel gekämpft.

Bezogen auf die militärische Niederringung der LTTE ergab sich aber auch einer der schärfsten Vorwürfe gegen Rajapaksa: Beharrlich verweigert er eine unabhängige Untersuchung über die genaue Zahl der zivilen Opfer in jenen Monaten sowie das Schicksal der zahlreichen Verschwundenen, die als ehemalige Kader der LTTE möglicherweise ermordet wurden. Selbst die Vereinten Nationen wurden von ihm mehrfach brüskiert. Lediglich einen Besuch der Hochkommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, hat die Regierung geduldet. Doch Ermittlungen der UN werden bisher verhindert. Für Journalisten ist der Nordosten ohnehin Sperrgebiet.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 6. Januar 2015


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