Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Signale aus Colombo

Sri Lankas neue Regierung weckt Hoffnungen der tamilischen Minderheit

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sri Lankas neuer Präsident Maithripala Sirisena beginnt, vorsichtig einen anderen politischen Kurs einzuschlagen, indem er ein Zeichen an die tamilische Minderheit gesandt hat. Auch Außenminister Mangala Samaraweera deutet mit seinem Besuch beim Nachbarn Indien am vergangenen Montag eine Korrektur der vormaligen prochinesischen Haltung Colombos an.

Die ersten Schritte der Regierung von Sirisena, der sich am 8. Januar bei Präsidentschaftswahlen mit 51,3 Prozent der Stimmen gegen den damaligen Amtsinhaber Mahinda Rajapaksa durchgesetzt hatte, sind bemerkenswert. So hat der neue Staatschef am 15. Januar angeordnet, den bisherigen Gouverneur der mehrheitlich von Tamilen besiedelten Nordprovinz, den ehemaligen Generalmajor G. A. Chandrasiri, durch einen profilierten Diplomaten zu ersetzen. Damit kommt Sirisena den Forderungen des Parteienbündnisses Tamil National Alliance (TNA) nach, das die Absetzung des pensionierten Militärs verlangte, weil dieser die Arbeit des Provinzrates drastisch beschnitten hatte. Rajapaksa hatte ihn noch im Juli 2014 auf diesem Posten bestätigt und damit die seit dem Sieg der Armee über die Tamil Tigers (LTTE) im Mai 2009 erdrückende Präsenz des Militärs im Norden der Insel indirekt bekräftigt. Nachfolger Chandrasiris ist der ehemalige Außenamtssekretär H. M. G. S. Palihakkara. Besonders im indischen Bundesstaat Tamil Nadu wurde dies als Signal an die Tamilen verstanden.

Zugleich gab Colombo bekannt, dass mit sofortiger Wirkung alle Restriktionen gegen Ausländer aufgehoben werden, die in die ehemaligen Kriegszonen im Osten und Norden des Landes reisen wollen. Das betrifft vor allem auch Journalisten, denen der Zutritt bislang verwehrt worden war. In den sri-lankischen Medien wird diese Entscheidung als eine Stärkung der Pressefreiheit gewertet, die unter Rajapaksa immer stärker missachtet worden war.

Auch in den Beziehungen zu Indien zeichnet sich ein Kurswechsel Colombos ab. Unter Rajapaksa war eine deutliche Orientierung auf Peking zu erkennen. Das betraf Investitionen, Handel, militärische Kooperation und die Bereitschaft der Regierung, Teil des chinesischen Projekts einer »maritimen Seidenstraße« zu werden. Das alles war von Neu-Delhi mit Unbehagen verfolgt worden. Außenminister Samaraweera bereiste am Montag bei seinem ersten Staatsbesuch den nördlichen Nachbarn – das wurde in den indischen Medien ausdrücklich begrüßt. Und Samaraweera äußerte gegenüber der Zeitung The Hindu: »Die Tatsache, dass ich als Außenminister meine erste Überseereise nach Indien angetreten habe, zeigt die Bedeutung, die die Regierung von Präsident Sirisena der Stärkung und Verbesserung der bilateralen Beziehungen mit Indien beimisst.« Außerdem wurden als Geste des guten Willens am Vorabend der Visite Samaraweeras 15 indische Fischer freigelassen, die in Sri Lankas Gewässern aufgegriffen worden waren.

Die Regierung in Colombo hat zudem versprochen, die Menschenrechte im Land zu achten und die »Sorgen« der ethnischen und religiösen Minderheiten ernst zu nehmen. Sri Lanka hofft damit, die Beziehungen zu Indien, das sich als Schutzmacht der Tamilen betrachtet, zu verbessern.

Samaraweera erklärte bei seinem Besuch in Neu-Delhi, die Außenpolitik seines Landes brauche eine Kurskorrektur. Diese solle in den ersten 100 Tagen eingeleitet werden. Expräsident Rajapaksa habe eine »paranoide« Diplomatie betrieben. In einem Beitrag für die Zeitung The Hindu sieht Professor Jayadeva Uyangoda von der Universität Colombo die Möglichkeit, »eine neue Version der Blockfreiheit zu etablieren: nicht feindlich gegenüber dem Westen, nicht so abhängig von China und recht entspannt mit Indien«.

Mit seiner indischen Amtskollegin Sushma Swaraj, so Samaraweera, habe er bereits eine enge Koordination der bilateralen Aktivitäten vereinbart. Man habe über die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, den Aussöhnungsprozess zwischen den Ethnien in Sri Lanka sowie über das Fischereiproblem gesprochen. Indische und sri-lankische Fischer kommen sich in der Palkstraße und im Golf von Mannar häufig in die Quere und werden von der Marine des jeweils anderen Landes aufgebracht.

* Aus: junge Welt, Freitag, 23. Januar 2015


Zurück zur Sri Lanka-Seite

Zur Sri Lanka-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage