Sri Lanka: Tamilische "Befreiungstiger" verkünden einseitig Waffenruhe
Ab Heiligabend (24. Dezember) sollen die Waffen schweigen
Von Hilmar König, Neu Delhi
Ein »Weihnachtsgeschenk«, das nicht nur die verschwindend
kleine christliche Minderheit in Sri Lanka, sondern alle
Bevölkerungsteile erfreuen wird, halten die Befreiungstiger von
Tamil Eelam (LTTE) für Heiligabend bereit. Dann tritt die von
ihrem Führer Velupillai Prabhakaran verkündete einseitige
Waffenruhe in Kraft. Sie soll vorerst auf einen Monat begrenzt
sein, kann aber verlängert werden, wenn die neue Regierung
in Colombo konstruktiv darauf antwortet. Immerhin sagte
Verteidigungsminister Thilak Matapana: »Wahrscheinlich
werden wir positiv darauf reagieren.« Eine ähnliche Initiative
der LTTE hatte die vorige, von Staatspräsidentin Chandrika
Kumaratunga gesteuerte Regierung zu Weihnachten 2000 mit
der Begründung zurückgewiesen, es handele sich nur um eine
Finte der Rebellen.
Ausdrücklich erklärte die LTTE, mit der Waffenruhe wolle sie
guten Willen zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses
demonstrieren. Alle militärischen Aktionen gegen die
Streitkräfte Sri Lankas, so Prabhakarans Befehl an seine
Einheiten, werden um Mitternacht am 24. Dezember
eingestellt. Das sei auch eine Antwort an die Wähler, die sich
am 5. Dezember mit ihrem Votum zum Regierungswechsel für
Frieden entschieden hätten.
In seiner Botschaft, die er alljährlich am 27. November zu
seinem Geburtstag an die Tamilen richtet, hatte Prabhakaran
behutsam eine politische Wende angedeutet, als er die
Forderung nach Bildung eines tamilischen Separatstaates nicht
wiederholte. Er sagte: »Die tamilische Nationalfrage, die den
Charakter eines Bürgerkrieges angenommen hat, ist im
wesentlichen ein politisches Problem.« Indirekt gab er damit
auch zu, daß es sich militärisch nicht lösen läßt. Aber das
versucht die tamilische Guerilla seit fast 20 Jahren, oft sogar
mit schrecklichen terroristischen Mitteln. Dem ethnisch-sozialen
Konflikt fielen in diesem Zeitraum mindestens 65.000 Menschen
zum Opfer, ohne daß man seiner Lösung auch nur einen Schritt
näher gekommen wäre. Vielleicht wird nun aus diesem
neuerlich Ansatz etwas Brauchbares. Jedenfalls begrüßen die
Singhalesen, die die Bevölkerungsmehrheit bilden, ebenso wie
die Tamilen, Moslems und Christen, daß zunächst wenigstens
für einen Monat von seiten der LTTE keine Gewalt zu
befürchten ist und sie Weihnachten sowie das Tamilfest Thai
Pongal in Ruhe werden feiern können. Schon heißt es,
Norwegen mit seinem profilierten Vermittler Erik Solheim wäre
bereit, sich wieder assistierend einzuschalten, um eine Brücke
zwischen beiden Kriegsparteien zu bauen.
Es war wohl Zufall, daß die Ankündigung der LTTE-Waffenruhe
zusammenfiel mit der Nachricht, daß die Regierung von Premier
Ranil Wickremasinghe sich mit der Wiederbelebung des
Friedensprozesses befaßt. Dazu ordnete der Regierungschef
die Bildung von drei Komitees an: eines, das ihn bei der Suche
nach einer gerechten und dauerhaften politischen Lösung des
Konflikts beraten soll; ein weiters, das sich mit der
Vorbereitung von Gesprächen mit den Tamiltigern beschäftigt;
und eines, das alternative Lösungen prüft. Das letzte könnte
bedeuten, daß der Premier die untaugliche militärische Option
nicht verwerfen wird.
Diese drei Säulen sollen das Fundament für die
Wiederaufnahme des Friedensdialogs bilden. »Wir dürfen
keine zu hohen Erwartungen haben. Wir sollten Schritt für
Schritt voranschreiten. Das ist kein mit Blumen bestreuter Pfad.
Er ist holperig und schwierig. Und wir müssen alle Hindernisse
beseitigen«, warnte Wickremasinghe seine kriegsmüden
Landsleute, die bereits von einem dauerhaften Frieden
träumen.
Aus: junge welt, 22. Dezember 2001. Der Artikel erschien unter dem Titel "Tamilische Geschenke".
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