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Aufbäumen der Tamiltiger

Unerwarteter Rückschlag für Sri Lankas Regierungstruppen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Nach den schwersten Gefechten seit Jahren zwischen den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) und Regierungstruppen am Mittwoch an der Muhamalai-Front im Norden Sri Lankas gab das Militär am Donnerstag morgen seine Verluste mit 43 Toten, 33 Vermißten und 120 Verwundeten an. Die LTTE hingegen sprach von weit über 100 getöteten und über 400 verwundeten Soldaten. Die eigenen Verluste bezifferte sie mit 16 Toten, während das Militär glaubt, über 100 Rebellen getötet zu haben. Die Wahrheit mag irgendwo dazwischen liegen. Unabhängige Beobachter halten es für durchaus möglich, daß die Zahl der Toten auf beiden Seiten bei 200 liegt. Wenn es dieses Beweises noch bedurft hätte: Die Befreiungstiger haben erneut gezeigt, daß sie auch angesichts der gegnerischen Übermacht an Personal und Waffentechnik nicht aufgeben, sondern bis zum letzten Mann für ein tamilisches Heimatland kämpfen werden, wenn das am Verhandlungstisch nicht zu erreichen ist.

Die Streitkräfte, die die volle Unterstützung der von Singhalesen dominierten Regierungskoalition genießen, glauben sich seit der Eroberung der Ostprovinz im Sommer vorigen Jahres auf der Siegesstraße. Deshalb begannen sie anschließend sofort unter Einsatz der Luftwaffe, Artillerie, Infanterie und der Marine eine massive Offensive gegen LTTE-Stellungen im Norden. Tagtäglich überschüttet ihr Propagandaapparat die Medien mit Erfolgsmeldungen, so daß der Eindruck entstand, die Tamiltiger ständen am Rande der totalen Niederlage. Doch jetzt erlitt das Militär einen gehörigen Rückschlag, eine Schlappe in der Offensive. Unklar ist, ob es seine Kapazitäten überschätzte und tatsächlich die vorderste Verteidigungslinie der LTTE bei Muhamalai attackierte oder ob (was eher unwahrscheinlich ist) die Befreiungstiger einen Entlastungsvorstoß gegen Stellungen der Regierungstruppen unternehmen wollten. Im Militärbulletin hieß es, die Soldaten hätten 500 Meter tiefe Geländegewinne erzielt. Der LTTE-Sprecher hingegen erklärte, alle Attacken der Armee seien erfolgreich gekontert worden. Klar ist nur, daß es zu den schwersten Kämpfen in den letzten Jahren kam.

Klar ist aber auch, daß die Regierung in Colombo und das Militär den Mund sehr voll genommen haben, als sie verkündeten, die Befreiungstiger bis zum Jahresende auslöschen zu wollen. Erst vor ein paar Tagen hat Staatspräsident Mahinda Rajapakse diese Absicht erneuert, während seine Mitarbeiter nach außen hin immer wieder beteuern, die Türen zum Dialog seien stets geöffnet, wenn die Rebellen dem »Terrorismus abschwören«. Die großen Schilder an vielen Straßenkreuzungen in Sri Lanka sprechen eine andere Sprache: Sie zeigen die Jahreszahl »2008« und die Landkarte der Insel, frei von den Zonen, die sich unter LTTE-Kontrolle befinden. Das Kampfgeschehen an der Muhamalai-Front auf der Jaffna-Halbinsel scheint jedoch die Meinung jener Kritiker zu bestätigen, die eine militärische Endlösung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit für ausgeschlossen halten und auf politische Initiativen zur Beseitigung des Problems drängen.

In diesem Sinne verabschiedete am Mittwoch das Parlament des indischen Bundesstaates Tamil Nadu eine bemerkenswerte Resolution, in der die Regierung in Neu-Delhi aufgefordert wird, mit den beiden srilankischen Kriegsparteien ernsthafte Gespräche zu beginnen, um eine dauerhafte politische Lösung zu finden.

* Aus: junge Welt, 25. April 2008


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