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Tiger-Doppelschlag gegen die Armee

Schwere Schlappe für Sri Lankas Militär: Erfolgreicher Angriff der LTTE auf Luftwaffenbasis bei Colombo

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Sri Lankas Militär, das in den vergangenen Monaten mit heftigen Angriffen auf Positionen der tamilischen Befreiungsbewegung Schlagzeilen machte und sich bereits als Sieger im ethnisch-sozialen Konflikt wähnte, mußte am Montag eine schwere Schlappe einstecken. Die Guerilla der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) sorgte mit ihrer ersten kombinierten Boden-Luft-Aktion für einen unerwarteten Paukenschlag.

In ihrer »Operation Ellalan« gegen den größten Militärkomplex der srilankischen Luftwaffe bei Anuradhapura an der Versorgungsroute zwischen Colombo und Vavuniyaa griff ein aus 21 Personen bestehendes Elitekommando, die »Black Tigers«, die rund 210 Kilometer nördlich der Hauptstadt gelegene Basis aus verschiedenen Richtungen an. Sie erzeugte beträchtliche Verwirrung unter dem Stützpunktpersonal. Dann tauchten, während die Gefechte am Boden tobten, zwei LTTE-Leichtflugzeuge auf und warfen Bomben ab. Laut der LTTE-nahen Agentur tamilnet kehrten die 21 Rebellen »nach Beendigung der Mission« unversehrt in ihre Heimatregion zurück. Tamilnet veröffentlichte am Dienstag die 21 Namen der Angehörigen des »Black Tiger«-Kommandos, zu dem auch drei Frauen gehörten.

Sri Lankas Armeesprecher Keheliya Rembukwella sagte, drei Helikopter seien beschädigt worden, 13 Luftwaffensoldaten getötet und 18 verletzt worden. Zwei MI-24-Hubschraubern und ein K-8-Flugzeug seien schwer beschädigt worden. Zudem sei ein Bell-Helikopter mit seiner vierköpfigen Besatzung abgestürzt. LTTE-Sprecher Irasiah Ilanthirayan hingegen listete ein Übungsflugzeug, zwei MI-24- und einen M-17-Hubschrauber, eine Maschine PT-6, einen Hubschrauber Bell-212, ein Spionageflugzeug und eine CTH-748 als Totalverluste der Luftwaffe auf. So oder so: Die materiellen Schäden liegen nach Schätzungen westlicher Experten bei mindestens 40 Millionen Dollar. Mit besonderer Genugtuung nahm die Führung der Tamiltiger die Kunde von der Zerstörung des Spionageflugzeugs »Raytheon Beechcraft« auf, das in der Vergangenheit Schiffsbewegungen der »Seetiger« weit vor der Küste erkannte und mit seinen Informationen zum Verlust eines Teils der LTTE-Flottille beitrug.

Mit ihrem Überraschungscoup demonstrierte die LTTE eindrucksvoll ihre nach wie vor vorhandene Fähigkeit, trotz der anhaltenden militärischen Offensive Colombos zurückzuschlagen. Eine Tatsache, die die These stützt, daß der Konflikt zwischen Tamilen und der Zentralregierung militärisch nicht lösbar ist. Die Militärbasis in der nördlichen Zentralprovinz präsentierte sich zum Zeitpunkt des Angriffs relativ schutzlos. Dabei hatte die Regierung in Colombo im Juni behauptet, sie habe nun ein »voll wirksames Luftverteidigungssystem« installiert. Militärsprecher Rembukwella erklärte, man habe die sich nähernden Flugzeuge auf Radar zwar erfaßt, aber die Abwehr sei mißlungen, zumal man in die Bodengefechte verwickelt war. Gewiß kein Ruhmesblatt für das Militaer, das anschließend mit schweren Bombardements auf Gebiete unter LTTE-Kontrolle Vergeltung übte.

Es war der fünfte Rebellenangriff aus der Luft in diesem Jahr. Daß er die Regierung in Colombo von ihrem Konfrontationskurs zurück an den Verhandlungstisch bringt, ist indes nicht zu erwarten. Statt dessen charakterisierte Armeesprecher Rembukwella die Attacke als eine der »grausamen Terroristen, als »eine Verzweiflungstat, um sich für Debakel im Osten zu revanchieren und schwindendes Image aufzupolieren«.

Aus: junge Welt, 24. Oktober 2007


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