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Wahlkampf bedeutet Krieg

Präsidentin Kumaratunga eröffnet Offensive gegen die "Befreiungstiger"

Von Jürgen Hein (Neu-Delhi/dpa)

Der Wahlkampf in Sri Lanka bedeutet für die Menschen in den Tamilengebieten auch diesmal vor allem neue Gewalt. Ende 1999 hatten die "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) vor der Präsidentschaftswahl versucht, mit Offensiven im Norden die Chancen von Amtsinhaberin Chandrika Kumaratunga zu schwächen. Jetzt, vor der Parlamentswahl im Oktober, starteten die Regierungstruppen eine Offensive.

Einmal mehr werden Hunderte junger Soldaten und LTTE-Kämpfer in den Tod geschickt - in einem Konflikt, der schon seit 17 Jahren dauert und in dem 60 000 Menschen ihr Leben verloren. Seit April toben die jüngsten Kämpfe und gefährden wieder einmal zivile Einrichtungen, die unter anderem mit deutscher Hilfe entstanden sind. "Bislang ist eine Schule, die gerade repariert wurde, noch einmal beschädigt worden", sagt Eberhard Halbach von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Colombo. Die GTZ hat auf Jaffna zehn Schulen wieder aufgebaut, 14 sind noch im Bau. Außerdem hat die GTZ die Wasserversorgung wieder hergestellt. "Wir haben die Armee und die LTTE informiert, wo die Schulen liegen", sagt Halbach, "Schulen sind hoffentlich das Letzte, was zum Ziel von Angriffen wird." Die GTZ und andere Hilfsorganisationen bereiten sich auf weitere Flüchtlinge vor und wollen mit Trinkwasser und Notunterkünften helfen. Seit April sind auf Jaffna etwa 160 000 Menschen geflohen. Ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht.

Kumaratunga hatte 1994 versucht, mit dem als Fanatiker geltenden LTTE-Führer Velupillai Prabhakaran zu verhandeln. Das Abkommen wurde jedoch von der LTTE gebrochen. Daraufhin setzte die Präsidentin die Armee in Marsch. Zunächst hatte sie Erfolg, die LTTE verlor Jaffna. Seit dem vergangenen Jahr sind die Rebellen jedoch wieder auf dem Vormarsch. Ihre Erfolge nördlich von Vavuniya brachten Kumaratunga zwar im Dezember nicht um ihren Wahlsieg. Das lag aber wahrscheinlich an den Stimmen, die sie aus Solidarität erhielt, nachdem sie eine LTTE-Bombe schwer verletzt überlebt hatte.

Seit April hat die LTTE nun Teile Jaffnas zurückerobert und Kumaratunga und die Armee gedemütigt. Bis zu 2000 Menschen kamen dabei nach Schätzungen ums Leben. Wie viele es wirklich waren, ist unbekannt. Denn die Regierung zensiert die Presse, und auch die LTTE setzt mehr auf Propaganda als auf Information.

Die leise Hoffnung auf Frieden, die es Anfang des Jahres gab, ist auf der Strecke geblieben. Ein Vermittlungsversuch Norwegens lief ins Leere. Eine Verfassungsreform scheiterte. Kumaratunga wollte der tamilischen Minderheit mehr Autonomie geben. Die Tamilen machen 18 Prozent der Bevölkerung aus und sind überwiegend Hindus, während sich die singhalesische Mehrheit meist zum Buddhismus bekennt.

Kumaratunga fand für ihre Reform keine Mehrheit. Unter anderem stieß sie auf den Widerstand des buddhistischen Klerus, der seinen Führungsanspruch gefährdet sah. Aus: Frankfurter Rundschau, 06.09.2000

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