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Verwirrspiel in Colombo

Sri Lankas Präsident redet von »friedlicher Lösung« bei »striktem militärischen Vorgehen gegen Terrorismus«. Unerträgliche humanitäre Lage in Tamilengebiet

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Wieder einmal hat Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse öffentlich versichert, eine politische Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen tamilischer Minderheit und singhalesischer Mehrheit anzustreben. Diesmal erklärte er sein angebliches Vorhaben im Verlaufe eines Gesprächs mit Shiv Shankar Menon, Staatssekretär im indischen Außenamt, der sich über das Wochenende zu Beratungen in Colombo aufhielt. Neu-Delhis große Sorge gilt der humanitären Situation von über 200 000 durch den Krieg vertriebenen Menschen, überwiegend Tamilen. Laut einer Erklärung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz vom vergangenen Freitag ist diese Hilfsorganisation seit dem 9. Januar nicht mehr in der Lage, die in der Kriegszone Umherirrenden zu versorgen.

Indien hatte im Herbst vorigen Jahres eine 1700 Tonnen schwere Solidaritätsfracht für die Notleidenden in den Norden Sri Lankas geschickt. Diese bestand unter anderem aus 80000 Familienpaketen, die Nahrungsmittel, Bekleidung und Hygieneartikel enthielten. Staatssekretär Menon kündigte nun eine weitere Hilfssendung an. Damit will die Regierung in Neu-Delhi zugleich die aufgebrachte Bevölkerung im indischen Bundesstaat Tamil Nadu beruhigen, die starken Anteil am Schicksal der ethnischen Brüder in Sri Lanka nimmt. Sie fordert unter anderem einen Waffenstillstand und eine endgültige, gerechte Regelung des Tamilenproblems.

Präsident Rajapakse führte seine Beteuerung, nach einer friedlichen Lösung des Konflikts zu suchen, selbst ad absurdum, indem er die bekannte Position Colombos wiederholte, »strikt und militärisch gegen Terrorismus vorzugehen«. Den seit über zweieinhalb Jahrzehnten währenden Kampf der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) für ein separates Heimatland stuft die srilankische Regierung unter Terrorismus ein.

Nachdem Colombos Streitkräfte die LTTE-»Hauptstadt« Kilinochchi im Dezember 2008 eroberten und inzwischen auch die Jaffna-Halbinsel unter ihre Kontrolle brachten, wird sich an der Kriegsoption der Regierung nichts mehr ändern. Die LTTE konnte zwar einen Großteil ihrer Infrastruktur rechtzeitig vor dem Einmarsch der Truppen in Kilinochchi demontieren, doch vermag sie nun nur noch von einem kaum mehr als 45 Quadratkilometer großen Areal im Distrikt Mullaithivu aus zu operieren. Dieser ist das nächste Ziel der Armee. Sie nahm angeblich am Samstag einen LTTE-Stützpunkt im Dorf Maruthampuvel ein. Eine unabhängige Beurteilung der Lage ist nicht möglich, da Journalisten weiterhin die Einreise in das Gebiet verwehrt wird.

Wie lange sich die Rebellen noch behaupten können, weiß niemand. Allerdings sind sich alle militärstrategischen Beobachter darin einig, daß die Befreiungstiger als Guerilla weiter existieren werden. Die Forderung an Colombo nach einem politischen Konzept, das dem singhalesischen Chauvinismus abschwört und den Tamilen Gleichberechtigung, Mitsprache und eine faire Behandlung als Staatsbürger garantiert, bleibt bestehen.

* Aus: junge Welt, 19. Januar 2009


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