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Paukenschlag der tamilischen Tiger

Spektakulärer Luftangriff der Rebellen auf die Hauptstadt Sri Lankas

Von Hilmar König, Delhi *

Mit dem Luftüberfall von Freitagnacht (20. Feb.) auf Sri Lankas Hauptstadt Colombo haben die tamilischen Rebellen, die seit Monaten gegen eine massive Offensive des Militärs ums Überleben kämpfen, ein Zeichen gesetzt. Haben die Streitkräfte mit ihren wiederholten Mitteilungen, das Ende der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) stehe unmittelbar bevor, übertrieben?

Spät in der Nacht am vergangenen Freitag (20. Feb.) war es zwei LTTE-Kamikazepiloten gelungen, ihre beiden Leichtflugzeuge bis in die Hauptstadt zu fliegen. Einer von ihnen rammte seine Maschine in das Gebäude der Landessteuerzentrale. Zwei Personen wurde dabei getötet und über 50 verletzt.

Die andere Maschine wurde abgeschossen, kurz bevor sie ihr Ziel, die Luftwaffenbasis Katunayake in der Nähe des Internationalen Airports, erreichte. Die Flugzeuge hatten je 215 Kilogramm Sprengstoff an Bord, beide Piloten wurden getötet. Die LTTE sprach von einer »erfolgreichen Mission«, Sri Lankas Luftwaffe hingegen von einem »gescheiterten Tamtam« der Rebellen. Man sei über die Annäherung der Maschinen informiert gewesen, noch ehe der Radar sie erfasste. Warum sie es dennoch bis nach Colombo geschafft hatten und nicht vorher abgefangen worden waren, wurde nicht gesagt.

Es war die neunte Luftattacke seit 2007, als die LTTE ihre tschechischen Leichtflugzeuge vom Typ »Zlin-143« erstmals einsetzten. Militärsprecher hatten behauptet, im Zuge der Offensive seien sieben LTTE-Flugplätze entdeckt und »neutralisiert« worden. Damit habe man die »Luftwaffe« der Rebellen weitgehend ausgeschaltet. Die Selbstmordattacke vom Freitag müsse man als eine der »letzten Verzweiflungstaten der Terroristen« bewerten. Sie hätten lieber die beiden Maschinen geopfert, als diese in die Hände der Streitkräfte geraten zu lassen.

Die Meinungen zu dieser Darstellung gehen allerdings auseinander. Die »Times of India« schrieb am Sonntag, der jüngste Luftüberfall auf Colombo scheine das Militär Lügen zu strafen, dass der tamilische Widerstand in den letzten Zügen liege. Die Aufständischen hätten bewiesen, dass es nicht der Moment sei, von der LTTE die bedingungslose Kapitulation zu fordern. Von verschiedenen Seiten wird angezweifelt, ob die Rebellen tatsächlich nur noch 87 Quadratkilometer Land kontrollieren.

Unterdessen geht der Krieg im Norden weiter. Sir John Holms, der UN-Verantwortliche für humanitäre Fragen, beendete jetzt einen dreitägigen Besuch in Sri Lanka. Vor der Presse äußerte er: »Ich befürchte, zur Realität gehört, dass in diesem Gebiet täglich noch Menschen in beträchtlicher Anzahl getötet und verletzt werden, auch wenn es schwer zu sagen ist, wie viele davon Zivilisten sind und wer verantwortlich ist.« Human Rights Watch hatte am Freitag gefordert, das »Abschlachten von Zivilisten« endlich zu stoppen. Der TV-Sender Al Dschasira meldete am Sonntag, von der LTTE aktuelles Bildmaterial erhalten zu haben, das angeblich Opfer nach einem Bombardement der Air Force auf eine der beiden sogenannten Sicherheitszonen zeigt. Dort sollen sich mindestens 70 000 Menschen aufhalten. Das Internationale Rote Kreuz hatte am Samstag 400 Kranke und Verletzte per Schiff aus dem Distrikt Mullaithivu nach Trincomalee gebracht.

Sri Lankas Menschenrechtsminister Mahinda Samarasinghe schloss Verhandlungen mit der LTTE über den Schutz von Zivilisten aus. Er erklärte, die Regierung suche nach Wegen, den tausenden Flüchtlingen in den vom Militär hermetisch abgeriegelten Lagern mehr Freiheit zu geben. Holmes hatte die Lagerbedingungen kritisiert. Außenminister Rohita Bogollagama kündigte vor ausländischen Diplomaten in Colombo ein Treffen von Regierungsvertretern mit tamilischen politischen Parteien an. Damit solle ein »Prozess über die künftige politische Agenda« begonnen werden. Gemeint ist offenbar ein Versuch zur Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts zwischen singhalesischer Mehrheit und tamilischer Minderheit.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Februar 2009


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