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Weder Sieg noch Frieden

Colombo will die bedingungslose Unterwerfung der Befreiungstiger

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Trotz weltweiter Antikriegsproteste und Solidaritätsbekundungen mit den Tamilen im Norden Sri Lankas geht der Krieg dort unvermindert weiter. Am Donnerstag (5. Feb.), einen Tag nach den Feierlichkeiten zum 61. Jahrestag der Unabhängigkeit Sri Lankas, hat Colombo den Appell der USA, der EU, Japans und Norwegens, eine »temporäre Nichtfeuer-Periode« für das Kriegsgebiet auszurufen, abgelehnt.

Die vier sogenannten Ko-Vorsitzenden der Sri-Lanka-Gruppe hatten eine am Mittwoch (4. Feb.) in Colombo veröffentlichte gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie zu einer zeitweiligen Feuereinstellung zwischen den Regierungstruppen und den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) aufriefen. Damit sollte ermöglicht werden, Zivilisten, darunter zahlreiche Verletzte und Kranke, aus der Kampfzone herauszubringen und humanitäre Hilfe zu leisten. In dem Gebiet, das seit 2. Februar von weit über einem Dutzend Luftangriffen und ständigen Artilleriegefechten heimgesucht wurde, halten sich nach Schätzungen mindestens 150 000 Zivilisten auf. Das Hospital in Puthukkudiyiruppu, so teilte des Internationale Rote Kreuz mit, mußte nach wiederholtem Beschuß - sogar mit Streubomben - unter höchstem Risiko evakuiert werden.

In der Erklärung der Ko-Vorsitzenden wird angeregt, die Rebellen sollten mit der Regierung über Modalitäten einer Kapitulation, Abgabe der Waffen und Beendigung der Feindschaft verhandeln. Sie sollten der Gewalt abschwören, ein Amnestieangebot Colombos akzeptieren und sich als politische Partei an einem Prozeß beteiligen, der eine gerechte und dauerhafte politische Lösung des ethnisch-sozialen Konflikts zum Ziel hat. Sri Lankas Verteidigungssekretär Gotabhaya Rajapakse - der jüngere Bruder des Staatspräsidenten - lehnte den Appell am Donnerstag ab. Gegenüber der Zeitung Island bezeichnete er den internationalen Vorstoß als »durchsichtigen Versuch, die Tiger zu retten«. Nichts könnte »lächerlicher« sein. Ein Ende der Militäroffensive käme nur bei »bedingungsloser Kapitulation« der LTTE in Betracht. Für die Befreiungstiger werde es keine politische Rolle geben. Präsident Mahinda Rajapakse hatte am Mittwoch in seiner Botschaft an die Nation zum Unabhängigkeitsjubiläum erklärt, in nur zweieinhalb Jahren habe es seine Regierung geschafft, »die feigen Kräfte des Terrors fast vollständig zu besiegen«.

Die im Parlament vertretene Tamilische Nationale Allianz (TNA) verwies in einer Stellungnahme darauf, daß angesichts der »physischen Unterwerfung der tamilischen Menschen durch den srilankischen Staat« die Notwendigkeit bestand, den bewaffneten Widerstand zu beginnen. Nur die LTTE habe gegen diese »Genozid-Absichten« gekämpft. Die TNA verwies darauf, daß der »Konflikt zwischen der tamilischen Nation und der singhalesischen Nation fundamental politischer Natur ist und eine politische Lösung braucht«.

Das ist auch die Meinung der indischen Regierung, die unter dem Druck Hunderttausender aufgebrachter Menschen im Bundesstaat Tamil Nadu steht. Sie verlangen, den ethnischen Brüdern im Norden Sri Lankas zu helfen. Neu-Delhi favorisiert ein Föderalsystem in einem srilankischen Einheitsstaat, in dem die Tamillen in ihrem Siedlungsgebiet weitgehende Machtbefugnisse ausüben. Es werde weder »einen Sieg noch Frieden« in Sri Lanka geben, äußern politische Analysten, wenn nicht die tamilische Minderheit ihre Rechte wahrnehmen kann, wie sie in der Verfassung Sri Lankas verankert sind.

* Aus: junge Welt, 6. Februar 2009


Schwere Gefechte in Sri Lanka

Mehr als 50 Zivilpersonen bei Kämpfen getötet. Einsatz von Streubomben. Tamilen protestieren in Berlin **

Schwere Gefechte zwischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen haben im Norden von Sri Lanka nach UN-Angaben mindestens 52 Zivilpersonen das Leben gekostet. Mindestens 80 Menschen seien seit Dienstag (3. Feb.) teils schwer verletzt worden, wie UN-Sprecher Gordon Weiss am Mittwoch (4. Feb.) in Colombo mitteilte. Die Opfer hätten sich zum Teil in einer von der Regierung ausgewiesenen Sicherheitszone befunden, die nicht Ziel von Angriffen sein sollte. Das Rote Kreuz brachte Mitarbeiter und Verletzte am Mittwoch in Sicherheit und schloß damit das letzte funktionierende Krankenhaus in dem umkämpften Gebiet. In der Nähe gebe es Luftangriffe, auch Streubomben seien eingesetzt worden, sagte Weiss. Das Krankenhaus war bereits am Wochenende von Artillerie beschossen worden. Dabei wurden mindestens zwölf Menschen getötet. Ein Militärsprecher behauptete, die Regierung habe die Streubomben nicht abgefeuert und verfüge auch gar nicht über diese Art der Munition.

In der umkämpften Region Vanni und den angrenzenden Gebieten, die von den Rebellen noch gehalten werden, sollen rund 250.000 Zivilpersonen eingeschlossen sein. Der srilankische Präsident Mahinda Rajapakse erklärte am Mittwoch (4. Feb.) anläßlich des 61. Jahrestags der Unabhängigkeit des Landes, der Aufstand der Rebellen für einen eigenen Staat im Norden der Insel sei fast völlig niedergeschlagen.

Tamilen aus ganz Deutschland haben am Mittwoch (4. Feb.) in Berlin gegen das Vorgehen der Regierung von Sri Lanka protestiert. Sie warfen der singhalesischen Armee Völkermord an der tamilischen Minderheit in dem Inselstaat vor und beklagten Stillschweigen der internationalen Gemeinschaft. Die Demonstration zählte nach Polizeiangaben rund 4000 Teilnehmer.(AP/ddp/jW)

* Aus: junge Welt, 5. Februar 2009


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