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16 Bomben auf ein Kinderheim

Angriffe der srilankischen Luftwaffe in Tamilengebiet. Nach Angaben der Befreiungsbewegung LTTE kamen 61 Schulmädchen ums Leben

Von Raoul Wilsterer *

Bei einem Angriff der Luftwaffe Sri Lankas (SLAF) auf das Chencholai-Kinderheim in Vallipunam kamen am Montag 61 Schulmädchen ums Leben. 129 wurden verletzt, als Kampfjets 16 Bomben abwarfen. Das meldete die der tamilischen Befreiungsbewegung (LTTE) nahestehende Website tamilnet.com. Das LTTE-Friedenssekretariat sprach von einem »schrecklichen Terrorakt«. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hätte Vertreter an den »Ort des Blutbads« geschickt. Über 400 Kinder aus dem nordöstlichen Distrikt Mullaithivu, der sich unter Kontrolle der Befreiungstiger von Tamil Eelam befindet, hätten in dem Gebäude übernachtet, um an einem Erste-Hilfe-Kurs teilzunehmen, erklärte die LTTE.

Die Regierung in Colombo dementierte den Angriff nicht, sondern behauptete, die SLAF hätte ein Trainingslager der »Tiger« bombardiert. »Es ist eine Lüge, daß wir auf Schulmädchen gezielt haben«, sagte Regierungssprecher Chandrapala Liyanage. »Wir wissen nicht, ob sie Kindersoldaten dorthin gebracht haben«, fügte er hinzu. Indes wuchs die Kritik an Colombo seitens der skandinavischen »Sri Lanka Monitoring Mission« (SLMM), die den seit 2002 geltenden Waffenstillstand überwachen soll, weiter. Bereits am Sonntag hatte ein SLMM-Vertreter moniert, daß Colombo die Untersuchung eines der LTTE unterstellten Verbrechens, der Ermordung von 17 Mitarbeitern der französischen Organisation »Aktion gegen den Hunger« (ACF) in der Region Muttur Anfang August, hinauszögert.

Offensichtlich versucht Sri Lankas Regierung, ihr Problem mit der sozial benachteiligten tamilischen Minderheit, die knapp zehn Prozent der 19 Millionen Einwohner ausmacht, militärisch zu lösen. Ausgenutzt werden soll dabei einerseits die derzeit angenommene Schwäche der LTTE, deren Gebiete im Nordosten der Insel besonders stark von der Tsunami-Katastrophe betroffen waren, sowie andererseits die einseitige Parteinahme Washingtons und Brüssels für die Regierung in Colombo. Die tat sich am Wochenende mit einer Finte zur Täuschung der internationalen Öffentlichkeit hervor. Offensichtlich um von ihrer militärischen Offensive abzulenken, behauptete sie, von den Befreiungstigern ein Gesprächsangebot erhalten zu haben und »ohne Vorbedingungen« über den Frieden verhandeln zu wollen.

Zugleich jedoch wurden die Angriffe im Norden mit vermehrter Intensität fortgeführt. Beim Kampf um die tamilische Halbinsel Jaffna mußten dabei nach– meist propagandistisch aufbereiteten– Militärangaben beide Seiten schwere Verluste hinnehmen. Die srilankische Armee habe seit Freitag 60 Soldaten verloren, die Guerilla 200 Kämpfer.

* Aus: junge Welt, 15. August 2006


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