Widersprüchliches aus Sri Lanka
Japan lädt tamilische Rebellen und Regierung zu direkten Gesprächen ein
Von Hilmar König, Delhi*
Die Regierung von Sri Lanka und die tamilischen Rebellen setzen widersprüchliche Signale: Wollen
sie Frieden oder sind sie zum nächsten Waffengang bereit?
Am Ende seines fünftägigen Aufenthalts in Sri Lanka bot Japans Sonderbotschafter Yasushi Akashi
offiziell beiden Seiten an, die nächste Runde direkter Gespräche in Tokio zu veranstalten. Dabei
sollten nicht die Waffenruhe vom Februar 2002, sondern deren »operationale Aspekte« überprüft
werden. Die Japaner hoffen, damit zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Colombo wollte einer
Wiederaufnahme des Dialogs mit den LTTE-Rebellen nur auf srilankischem Territorium zustimmen,
scheint jetzt aber mit Akashis Offerte einverstanden. Die LTTE hingegen lehnte bislang die von
Präsident Mahinda Rajapakse angestrebte Überprüfung der Waffenruhe strikt ab, würde dem jetzt
modifizierten Angebot, nur die Durchführungsaspekte der Waffenruhe einer Begutachtung zu
unterziehen, vielleicht keinen Widerstand mehr entgegen setzen.
Ob mit dem japanischen Vorschlag wirklich der Durchbruch erzielt wurde, bleibt abzuwarten. Wie
schon vor ihm andere internationale Beobachter konstatierte auch der »Friedensbotschafter« aus
Tokio angesichts von 34 Toten allein in der vorigen Woche, dass sich die Situation in Sri Lanka
dramatisch verschlechtert und ein Potenzial besitzt, »plötzlich zu eskalieren«. Noch bestehe
Hoffnung, eine neue Phase des im April 2003 abgebrochenen Friedensprozesses einzuleiten. Dazu
verhalten sich beide Seiten ambivalent. Einerseits forderte die LTTE erst am Wochenende die
norwegischen Vermittler auf, umgehend ein Meeting mit Regierungsvertretern zu arrangieren, um
die Waffenruhe zu retten. Zuvor hatte Colombo die Rebellen aufgefordert, an den Verhandlungstisch
zu kommen. Andererseits hatte LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran Ende November der neuen
Regierung gedroht, wenn sie nicht ohne Verzögerung eine vernünftige Lösung des ethnischen
Konflikts anbietet, würde die Guerilla wieder zu den Waffen greifen. »Wenn die neue Regierung
unseren dringenden Appell ablehnt, werden wir nächstes Jahr in Solidarität mit unserer Bevölkerung
den Kampf für Selbstbestimmung und nationale Befreiung zur Etablierung einer eigenen Regierung
in unserem Heimatland intensivieren«, sagte Prabhakaran.
Wenig später konterte Admiral Daya Sandagiri, der Chef des Verteidigungsstabes, die Streitkräfte
seien für »alle Eventualitäten« gerüstet und stünden Gewehr bei Fuß, »jeder terroristischen
Herausforderung zu begegnen«. Sie seien ohne Zweifel in der überlegenen Position. In Colombo
wurde Prabhakarans Warnung als »Ultimatum« verstanden und nicht akzeptiert. Der Minister für
Verfassungsfragen D. E. W. Gunasekara erwiderte, eine dauerhafte Lösung des Konflikts zwischen
der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit brauche Zeit. Als ersten Schritt wolle
man alle Parlamentsparteien konsultieren, ehe es zu direkten Gesprächen mit den Rebellen
kommen kann.
Akashis Eindruck ist, dass die Regierung dem Friedensprozess »höchste Priorität« einräumt und
dass sie einen »umfassenden Ansatz« zur Beendigung des ethnisch-sozialen Konflikts ausarbeitet.
Diesem im Jahre 1983 ausgebrochenen Konflikt fielen bislang über 60 000 Menschen zum Opfer.
Umrisse von Colombos »umfassendem Ansatz« zur Konfliktlösung sind noch nicht erkennbar. Bis
jetzt gilt, was Staatspräsident Rajapakse im Wahlkampf formulierte: kein Selbstbestimmungsrecht
und kein »Heimatland« für die Tamilen. Deren gesicherte Zukunft soll in einem Einheitsstaat ohne
föderale Strukturen liegen. Nur in einem Punkt zeigt sich Rajapakse jetzt flexibler. Eigentlich wollte
er den norwegischen Vermittlern die Tür weisen. Mitte voriger Woche signalisierte er dann, sie
dürften weitermachen, allerdings müsste ein klarer Trennungsstrich zwischen Vermittlern im
Friedensdialog und Kontrolleuren der Waffenruhe (gemeint ist die von Skandinaviern dominierte Sri
Lanka Monitoring Commission) gezogen werden. Doch Oslo hält sich zurück, will sich nur dann
wieder engagieren, wenn beide Seiten »wirklichen Willen« zeigen, zum Frieden zu kommen. So
bleibt eine gefährliche Spannung.
* Aus: Neues Deutschland, 14. Dezember 2005
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