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Feindbild Islam

Radikale Buddhisten in Sri Lanka machen mobil gegen muslimische Minderheit

Von Thomas Berger *

Ein massives Aufgebot mehrerer Polizeihundertschaften hat am Wochenende im Norden der sri-lankischen Hauptstadt Colombo eine größere Eskalation antimuslimischer Ausschreitungen verhindert. Beim Überfall radikaler Buddhisten auf eine Moschee am Sonnabend waren nach unterschiedlichen Angaben acht bis 15 Menschen, darunter zwei Polizisten, verletzt worden. Die Behörden verhängten zunächst bis Sonntag morgen und dann erneut für die Nacht zum Montag eine Ausgangssperre.

Noch immer fühlen sich die Muslime des Viertels bedroht. Augenzeugen berichteten, daß sogar ein Priester den Mob angeführt habe. Bewohner eines Nachbarhauses der Moschee sagten gegenüber der renommierten indischen Tageszeitung The Hindu, unmittelbar nach dem Klang der Glocken aus dem nahen Tempel sei die Gruppe vor dem muslimischen Gotteshaus aufgetaucht. Dort hatten sich gegen 18.30 Uhr Ortszeit gerade die Muslime zum Abendgebet eingefunden. Etliche von ihnen wurden von den Angreifern verprügelt, die auch Steine auf die Moschee warfen und an der Frontseite sämtliche Fensterscheiben zerstörten. Radikale buddhistische Kreise erheben den Vorwurf, bei der Moschee handle es sich um einen illegalen Bau. Das nun unter explizitem Polizeischutz stehende dreigeschossige Gebäude ist in der Tat neu, allerdings handelt es sich um den Ersatz für eine seit 40 Jahren bestehende Moschee in der Nachbarschaft, die einem Kanal weichen mußte. Das zu verschweigen, gehört aber zur Strategie jener Gruppen, die teilweise alle islamischen Organisationen im Inselstaat pauschal in Verbindung mit dem Terrornetzwerk Al-Qaida bringen. Die zunehmenden antimuslimischen Tendenzen in Sri Lanka sind in diesem Jahr wiederholt eskaliert. Erst im März waren in einem anderen Teil Colombos zwei muslimische Geschäfte in Brand gesteckt und zerstört worden. Auch im zentral gelegenen Kandy, an der Ostküste oder in Jaffna, der Regionalhauptstadt des Nordens, leben Muslime zunehmend in Angst.

Die extremistische Bodu Bala Sena (BBS) hatte im Februar und März eine Kampagne entfacht, auf deren Höhepunkt sogar zum Boykott muslimischer Geschäfte aufgerufen und mehrfach verschleierte Frauen in der Hauptstadt auf offener Straße angegriffen wurden. Die zugespitzten Feindseligkeiten entwickelten sich aus der gängigen Praxis des Muslimrates, dem höchsten theologischen Gremium der Minderheit, sogenannte Halal-Zertifikate zu erteilen, mit denen die Schlachtung von Tieren gemäß islamischen Ritus bescheinigt wird. Gebühren davon würden wie andere Einnahmen in die Förderung fundamentalistischer, gar terroristischer Aktivitäten fließen, hetzten BBS und verbündete Gruppen.Die mit 9,2 Prozent der Bevölkerung zweitgrößte religiöse Minderheit Sri Lankas nach den Hindus (13 Prozent) löst in dem südasiatischen Land so mehr und mehr die mehrheitlich hinduistischen Tamilen als Hauptfeindbild des religiösen Establishments ab. Die radikalen singhalesisch-buddhistischen Kreise, die hinter den Übergriffen vom Wochenende stecken, schließen Teile des offiziellen Klerus ein und verfügen über mächtige Fürsprecher in höchsten Regierungskreisen.

Rauff Hakeem, Justizminister und als Chef des Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) Anführer der größten Muslimpartei, brach am Wochenende eine Dienstreise ins zentrale Kandy ab, um in der Hauptstadt mit Vertretern von Polizei und anderen Stellen über die Lage zu beraten. Die einfachen Muslime fühlen sich von der Politik aber allgemein im Stich gelassen. Auch eine vom Polizeichef ins Gespräch gebrachte »Friedenskonferenz« scheint angesichts der aufgeheizten Atmosphäre und fortgesetzter Hetze mit Duldung von ganz oben nur Augenwischerei.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 13. August 2013


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